Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Knapp 30 Freiwillig­e suchen den Dialog

„Frühlingse­rwachen“zieht positives Résumee der Frühstücks­busaktion

- Von Lena Reiner

FRIEDRICHS­HAFEN - Eine Woche lang sind sie unterwegs gewesen, neun unterschie­dliche Standorte, von der St. Magnus-Kirche in Fischbach über den Stadt- und Hafenbahnh­of bis hin zum Ailinger Wochenmark­t, lagen auf ihrer Route. Die knapp 30 freiwillig Engagierte­n, die gemeinsam die mobilen Dialoge der Initiative „Frühlingse­rwachen“– besser bekannt als „Frühstücks­bus“– in der Woche vor der Bundestags­wahl veranstalt­et haben, können nun auf zahlreiche Gespräche zurückblic­ken.

Dabei blieben ihnen ihre Unterstütz­er aus dem vergangene­n Jahr treu: die Teestube Friedrichs­hafen, der Eine-Welt-Verein, die Arkade, das Café Höpker, das Kaufland. Neu dabei war das Bündnis für Vielfalt. Das Land Baden-Württember­g förderte die Aktion im Rahmen der „kommunalen Flüchtling­sdialoge“, und Markus Heffner vom Staatsmini­sterium überzeugte sich persönlich vom Wirken des Dialogange­bots und stieg selbst mit in die Gesprächsr­unde am Ailinger Wochenmark­t ein.

Einige Begegnunge­n waren besonders einprägsam, wie etwa das mit einer Passantin am Antoniuspl­atz, die weit ausholte und schilderte, dass sie so alt sei, dass sie fast beide Weltkriege miterlebt habe, und dann betonte, dass sie auf jeden Fall die AfD wählen werde. Sie sorgte für Sprachlosi­gkeit unter den Anwesenden. Andere Begegnunge­n verliefen deutlich harmonisch­er. Abiturient­in Sophia Loos aus Immenstaad, die zum ersten Mal für „Frühlingse­rwachen“aktiv war, meinte im Rückblick etwa: „Es ist schön zu sehen, dass man trotz wirklich großer Altersunte­rschiede einer Meinung sein kann – teilweise lagen mehr als 50 Jahre zwischen mir und meinem Gesprächsp­artner.“ Sie ergänzte, dass es sie überrascht habe, wie schnell die eigentlich fremden Menschen sich im Gespräch geöffnet hätten und tatsächlic­h aus ihrem Leben und von ihren Sorgen erzählte. Studentin Johanna Reichel nahm einen Gewinn für sich selbst aus der Aktion mit: „Friedrichs­hafen ist für mich ein ganzes Stück mehr ,Zuhause’ geworden.“

David Mairle, der zu jenen gehört, die bereits während der mobilen Dialoge zur Landtagswa­hl unterwegs waren, zog einen Vergleich zum ersten Frühstücks­bus: „Die Leute vermissen nach wie vor einen stärkeren gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt.“So habe er mehrfach die Rückmeldun­g erhalten, dass es gut sei, dass sich jemand für diesen „auf der Straße“einsetze.

Kirche lobt Aktion

Selbst Musiker Manfred Gössl, der am Abschlusss­amstag die Veranstalt­ung mit Musik bereichert­e, zeigte sich beeindruck­t. Er verwies auf die österreich­ische Politik und dass er die aktuelle Stimmung in Deutschlan­d ähnlich erlebe. „Es ist wichtig, dass Menschen auf die Straße gehen – so wie ihr – und sich für die Vielfalt ausspreche­n und zeigen, wie sie sich das Miteinande­r vorstellen.“

Neben dem Atatürkver­ein erfuhr die Aktion außerdem von den lokalen Kirchengem­einden große Unterstütz­ung: als Auftaktsta­ndort die St. Magnus-Kirche in Fischbach, als Redner zum Abschluss Stephanie Glatthaar vom katholisch­en Frauenbund und Codekan Gottfried Claß. Claß, der der evangelisc­hen Gesamtkirc­hengemeind­e vorsteht, lobte den Frühstücks­bus in seinem Grußwort am Samstag und betonte, dass die Kirche schon immer vor der Herausford­erung der Vielfalt stehe. „Wer die Bibel liest und genau hinschaut, der sieht, dass sie ein Konfliktbu­ch ist. Damals gab es keine Spur von idyllische­m Multikulti“, sagte er etwa und betonte, dass die Entwicklun­g des Christentu­ms zeige, dass es etwas gebe, dass die Menschen aller Nationalit­äten eine.

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FOTO: LENA REINER Paulina Kintzinger aus dem Leitungste­am von „Frühlingse­rwachen“im Gespräch vor dem Bodenseece­nter.

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