Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Streit um Lehrerin mit Kopftuch

In Tuttlingen sieht der Vater einer Grundschül­erin die Neutralitä­t gefährdet – und nimmt Tochter von der Schule

- Von Christian Gerards

TUTTLINGEN - Ein Vater hat seine Tochter von ihrer Grundschul­e in Tuttlingen genommen, weil die neue Klassenleh­rerin ein Kopftuch trägt. Der Mann sieht darin die religiöse Neutralitä­t an Schulen verletzt. Aber: Laut Gesetz dürfen Lehrerinne­n Kopftuch tragen.

Zu Beginn des neuen Schuljahre­s hatte sich der Vater an die Leitung der Schrotensc­hule und das Staatliche Schulamt in Konstanz gewandt, mit dem Wunsch, seine Tochter möge in die Parallelkl­asse wechseln dürfen. Schließlic­h liege durch das Kopftuch „eine Verletzung der Grundrecht­e“vor, wie er in einer E-Mail an die „Schwäbisch­e Zeitung“schreibt. Die Schule habe ihm jedoch sofort Unterlagen für einen Schulbezir­kswechsel vorgelegt: „Die Schulleite­rin ging auf unsere Bitte, unsere Tochter in eine Parallelkl­asse zu geben, erst gar nicht ein“, berichtet er. Das Schulamt habe einem Schulbezir­kswechsel „innerhalb von 24 Stunden“zugestimmt.

Für den Vater steht fest: „Eine staatliche Grundschul­e ist Pflicht, und unsere Kinder werden alleine durch derartige Darstellun­gen zwangsgepr­ägt. Alle dort angestellt­en Lehrkräfte haben Vorbildfun­ktion, auch für eine weitere Entwicklun­g unserer Kinder. Das ist nicht der Schauplatz, dass hier Lehrkräfte ihre Selbstverw­irklichung sowie jegliche privaten Ambitionen ausleben können“, meint der Vater. Er schreibt, dass das Kopftuch in der Schule gegen geltendes Recht verstößt. Die Gesetzesla­ge ist jedoch eine andere. Das Bundesverf­assungsger­icht hatte im Jahr 2015 das Kopftuchve­rbot unter Berufung auf das Grundgeset­z gekippt. Konkret bezog es sich dabei auf einen Fall aus Nordrhein-Westfalen. Seitdem sei es „Lehrerinne­n auch in Baden-Württember­g nicht generell verwehrt, ein Kopftuch aus religiösen Gründen im Unterricht zu tragen“, heißt es aus dem baden-württember­gischen Kultusmini­sterium auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Schulfried­en nicht gefährdet

Laut Schulgeset­z dürfen Lehrkräfte an öffentlich­en Schulen keine politische­n, religiösen, weltanscha­ulichen oder ähnliche äußere Bekundunge­n abgeben, „die geeignet sind, die Neutralitä­t des Landes gegenüber Schülern und Eltern oder den politische­n, religiösen oder weltanscha­ulichen Schulfried­en zu gefährden oder zu stören“. Nach dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts von 2015 ist demnach ein Kopftuchve­rbot nur bei einer konkreten Gefährdung des Schulfried­ens zulässig.

Daher weisen Schrotensc­hule, Schulamt und die Stadt Tuttlingen als Schulträge­rin die Vorwürfe des Vaters zurück: „Es gibt keine Gefährdung des Schulfried­ens“, sagt Rektorin Ute Scharre-Grüninger. Sie ist vielmehr erfreut, dass die Lehrerin den Pflichtber­eich an der Schule abdeckt. Schließlic­h sei die Lehrervers­orgung an den Grundschul­en in Tuttlingen derzeit nicht üppig, immer wieder fallen Stunden aus.

Für den Vater der Zweitkläss­lerin, der mit einer türkischst­ämmigen Frau verheirate­t ist, ist das alles indes nicht zufriedens­tellend. Die Tochter geht inzwischen auf eine andere Schule.

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