Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Zeit für Entlastungen
Es ist eine ungewöhnlich lange Aufschwungphase, in der sich die deutsche Wirtschaft befindet. Und glaubt man der Herbstprognose der führenden fünf Wirtschaftsforschungsinstitute, dann wird sie sogar mindestens bis ins Jahr 2019 hinein anhalten. Das sind gute Nachrichten für Millionen Menschen in Deutschland – und natürlich auch für die Unterhändler der drei Parteien, die bald über die erste Jamaika-Koalition im Bund verhandeln werden.
Doch mögen die absehbaren Staatsüberschüsse in den nächsten Jahren auch noch so üppig sein: Es gibt keinen Grund, sich zurückzulehnen. Die entscheidenden Fehler, so eine alte Ökonomen-Weisheit, werden schließlich in guten Zeiten gemacht: zum Beispiel, wenn notwendige Investitionen aufgeschoben werden oder die Sozialausgaben in einer Art und Weise steigen, dass sich dies spätestens im nächsten Abschwung wieder rächt.
Es geht nun nach der Bundestagswahl darum, mit kluger Politik die Zukunftsfähigkeit des Landes zu sichern. Denn dass Deutschland in 15 oder 20 Jahren ähnlich erfolgreich dasteht wie heute, ist keinesfalls gesichert. Eine Garantie für ein anhaltendes Wachstum gibt es nicht. Der Investitionsstau von der Schulsanierung über die Verkehrsinfrastruktur bis zum Breitbandausbau ist bereits jetzt erheblich. Ihn zu überwinden, erfordert nicht nur mehr Mittel, sondern auch den Abbau bürokratischer Hürden.
Darüber hinaus ist es Zeit für Entlastungen der Bürger, die neue Kräfte freisetzen können. Auch die Arbeitnehmer haben eine faire Aufschwungdividende verdient, bei Steuern wie bei den Sozialabgaben. Völlig zu Recht weisen die Wirtschaftsforscher in diesem Zusammenhang auf den Reformbedarf in der Rentenversicherung hin. Noch funktioniert das System, aber ein Weiter-so hätte früher oder später steigende Altersarmut und eine deutlich höhere Beitragsbelastung zur Folge. Viel Arbeit wartet auf die künftige Bundesregierung. Sie darf sich nicht damit begnügen, nur den Status quo zu verwalten.