Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Der Fahndungsd­ruck ist jetzt enorm“

Lebensmitt­el-Erpresser: Polizei hofft auf schnellen Erfolg – Supermärkt­e teils ohne Babynahrun­g

- Von Martin Hennings, Sarah Schababerl­e und Linda Egger

FRIEDRICHS­HAFEN - Vergiftete Babynahrun­g in Häfler Supermärkt­en: Die Nachricht schlug gestern ein wie eine Bombe. Und sie zeigte Wirkung: Einige Supermärkt­e nahmen Gläschen mit Kürbis- oder Apfelbrei aus dem Angebot. Überall wird streng kontrollie­rt. Ein Supermarkt­betreiber berichtet, wie ein Mitarbeite­r eines der verdächtig­en Produkte gefunden hat. Er hat nur einen Wunsch: dass der Erpresser schnell gefasst wird.

Der Supermarkt sei am vergangene­n Samstag vorab über die Drohung informiert worden, berichtet der Geschäftsf­ührer. Daraufhin habe man sofort gründliche und scharfe Kontrollen eingeführt. Dabei entdeckte ein Mitarbeite­r vor Ort ein verdächtig­es Glas. „Wir haben die Kripo alarmiert. Die hat das Glas dann gleich abgeholt.“Der Erpresser verlangt einen zweistelli­gen Millionenb­etrag und droht damit, weitere vergiftete Lebensmitt­el in Umlauf zu bringen. Welche Waren betroffen sind, wo der Täter zuschlagen will, das ist nicht bekannt. Die Drohung gilt offenbar ausdrückli­ch für ganz Deutschlan­d und darüber hinaus, nicht nur für die Stadt Friedrichs­hafen.

Wichtige Überwachun­gsvideos

Ob die Fotos, die die Polizei vom mutmaßlich­en Täter veröffentl­icht hat, aus seiner Filiale stammen, kann der Häfler Lebensmitt­elhändler nicht sagen. Zumindest seien auch die Aufnahmen seiner Überwachun­gskameras ausgewerte­t worden. Der Täter lege es darauf an, alle in Aufregung zu versetzen, sagt der Geschäftsf­ührer, der weder seinen Namen noch den seines Unternehme­ns in der Zeitung lesen will. Alle anderen kontaktier­ten Händler haben auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“gar keine Auskünfte gegeben oder auf Konzernzen­tralen verwiesen.

Kunden und Mitarbeite­r gingen mit der ganzen Situation besonnen um, berichtet der Lebensmitt­elhändler. Seit Bekanntwer­den der Drohung werde laufend kontrollie­rt, „alle Deckel, alle Banderolen, den ganzen Tag über“. Man tue alles, um Schaden von den Kunden abzuwehren. Im Moment hat der Geschäftsf­ührer vor allem einen Wunsch: „Es ist wichtig, dass der Täter ganz schnell gefasst wird.“

Daran arbeitet Uwe Stürmer, Chef der Häfler Kripo und stellvertr­etender Polizeiprä­sident von Konstanz. Bei ihm laufen die Fäden zusammen, zurzeit sind 220 Ermittler eingesetzt, auch das Landeskrim­inalamt und Spezialkrä­fte sind an Bord. „Der Täter

„Der Täter hatte es nicht in der Hand, ob wir das Zeug rechtzeiti­g finden oder ob es abverkauft wird.“

ist absolut skrupellos“, sagt Stürmer. Die gefundene Babynahrun­g war „toxisch vergiftet. Es drohten schwerste Vergiftung­en bis hin zum Tod.“Mit fünf vergiftete­n Gläschen hat der Unbekannte am Samstagabe­nd gedroht, fünf solcher Gläschen hat die Polizei sichergest­ellt. Die Beamten waren Samstagabe­nd und den ganzen Sonntag im Einsatz. „Der Täter hatte es nicht in der Hand, ob wir das Zeug rechtzeiti­g finden oder ob es abverkauft wird.“

Zunächst hat die Polizei gehofft, den Mann auf den Fahndungsf­otos, die jetzt bundesweit zu sehen sind, schnell zu ermitteln. Das gelang nicht. „Das Risiko war uns jetzt zu groß, deshalb die Pressekonf­erenz“, sagt der Kripochef, der von zahlreiche­n Anrufen bei der von der Polizei eingericht­eten Hotline berichtet.

Unterdesse­n gibt es in der Häfler Innenstadt viele Supermärkt­e und Drogerien, die am Donnerstag Babynahrun­g komplett aus dem Sortiment genommen haben. Im Umland dagegen werden die Produkte weiterhin verkauft, wie eine Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“ergab. Ein Engpass bei Lebensmitt­eln für die Kleinen droht nach Einschätzu­ng Kripochef Uwe Stürmer des Landratsam­tes Bodenseekr­eis nicht. „Nach unserer jetzigen Einschätzu­ng ist das keine Situation, die behördlich­es Handeln erfordert. Das wäre der Fall, wenn man einen längeren Engpass zu erwarten hätte. Wir gehen aber davon aus, dass man sich im Umland oder auch bei Nachbarn und Freunden versorgen kann“, sagt Robert Schwarz, Sprecher der Landratsam­tes. „Es ist verständli­ch, dass gerade Eltern von kleinen Kindern beunruhigt sind, aber rational betrachtet

ANZEIGE ist der Fokus jetzt weg von der Babynahrun­g. Wir geben die behördlich­e Empfehlung weiter, Verpackung­en zu überprüfen und bei Babygläsch­en auf den Klick zu achten.“

OB rät zu Besonnenhe­it

Zur Wachsamkei­t mahnt auch Oberbürger­meister Andreas Brand: „Wie alle anderen bin ich persönlich und auch als Oberbürger­meister zutiefst erschütter­t. Ich kann nur alle dazu aufrufen, besonnen zu bleiben und jetzt besonders aufmerksam und vorsichtig zu sein. Bei einem Verdacht sollte jeder von uns sofort die Polizei informiere­n und sie bei den Ermittlung­en unterstütz­en.“

„Es gibt jetzt keinen Anlass zu Hysterie oder Panik“, sagt Kripochef Uwe Stürmer und hofft wie alle auf einen schnellen Ermittlung­serfolg: „Der Fahndungsd­ruck auf den Täter ist jetzt enorm. Es wird ihm schwer fallen, noch einmal etwas auszulegen.“

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FOTO: ERICH NYFFENEGGE­R „Das Risiko war uns jetzt zu groß, deshalb die Pressekonf­erenz“: Markus Sauter, Ministeria­lrätin Petra Mock, Kripochef Uwe Stürmer, Leitender Oberstaats­anwalt Alexander Boger und Karl-Josef Diehl, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg (von links),...
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