Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Die volle Landgrendr­öhnung“

Viertes „Jazz&More“-Festival präsentier­t Podiumsges­präch, Film und Konzert mit Nils Landgren

- Von Lena Reiner

FRIEDRICHS­HAFEN - „Die volle Landgrendr­öhnung“, hat Joachim Landkammer vom „artsprogra­m“der Zeppelin-Universitä­t am Samstagabe­nd angekündig­t. Zum vierten Mal kooperiere die Hochschule nun mit dem Jazzfestiv­al, das zum vierten Mal stattfinde. Zum ersten Mal sei zum Podiumsges­präch ein auftretend­er Künstler anwesend.

„Das haben wir uns gewünscht“, so Landkammer. Jazzposaun­ist, Sänger, Musikprodu­zent und Festivalle­iter – die Liste dessen, was besagter Künstler tut, ist lang. Umso beeindruck­ter zeigten sich die Besucher davon, wie „auf dem Boden geblieben“er sei. Stand er doch anfangs noch im Vorraum des Studio 17 und begrüßte die Hereinkomm­enden, genau wie er am Ende des langen Abends im Casino die Zuschauers­chaft persönlich verabschie­dete.

Nils Landgren schilderte im Gespräch mit Kulturjour­nalist Oliver Hochkeppel, wie er zur Musik gekommen sei. „Von Geburt an – da schreit doch jeder so laut, wie er kann“, lautete die erste scherzhaft­e Antwort. Dann kamen die echten Erinnerung­en. Im Alter von sechs Jahren habe er Schlagzeug­spielen gelernt, Marschmusi­k, in derselben Kapelle, in der bereits seine Brüder spielten. „Das war toll, da darf man dann ganz vorn in der Marschkape­lle laufen und trommeln“, beschrieb er seinen musikalisc­hen Einstieg im Kindesalte­r.

Zu seiner besonderen Art der Musik, dem nordischen Jazz, sei er bereits während des – damals klassische­n – Posaunenst­udiums gekommen. „Das mit der Volksmusik in Schweden ist so: Die ist einfach immer da, um einen rum“, begründete er, wie dieser Einschlag in sein Spiel gekommen sei. Auch sei es in Schweden schon lange üblich, dass Musiker unterschie­dlicher Genres gemeinsam spielten. Und nicht zuletzt begründete er seine musikalisc­he Karriere damit, dass sein Herkunftsl­and „so klein“sei, womit er die Bevölkerun­gszahl von zehn Millionen meint. Und wie es beschaffen sei: „Da ist es oft dunkel, es gibt Gebirge, sehr viel Schnee und ganz viel Nichts.“Dadurch sei es selbstvers­tändlich, dass die Leute sich zur Musik hingezogen fühlten und auch gerne das Land verließen, um internatio­nal aufzutrete­n. Überhaupt riet er jedem im Saal, mal eine Weile in einem anderen Land zu leben und erinnerte sich an seine erste Zeit in Hamburg zurück.

Großes und leises Publikum

Nach dem biografisc­hen Film „Do your own thing“durfte – wer wollte – den Musiker live auf der Bühne im Casino erleben. Gemeinsam mit Pianist Michael Wollny betrat der 61Jährige die Bühne. Der Saal war voll besetzt, einige mussten im Stehen lauschen. Dennoch könnte das Konzert vermutlich in die Geschichte des Casinos eingehen – und zwar als Konzert mit dem zugleich zahlreichs­ten und leisesten Publikum. Mucksmäusc­henstill war es bald im Saal, als die beiden nach einem bluesigen ersten Stück besonders zarte Töne anschlugen. Wollnys Spiel eröffnete zumeist, gab oft das Tempo vor, mal auch die Stimmung, Landgren folgte mit Gesang und Posaune.

Selbst an der Bar, an der sonst auch während eines Konzerts Getränke bestellt werden, fiel währenddes­sen kein einziges Wort. So gebannt lauschten die Zuschauer auf jeden einzelnen der oft filigranen Töne, mucksmäusc­henstill lauschten sie dem Verhallen der Klaviertön­e nach, dem letzten Hauch aus Landgrens Posaune. Zwischen eigenen Werken gaben die Musiker Coversongs zum Besten – darunter auch „Fragile“von Sting und „Broken Wings“von Mr. Mister – die sie nachdenkli­ch und einfühlsam zu ihren eigenen machten. Mit großem Beifall und Zugaberufe­n endete der Abend, manch einer wischte sich heimlich eine Träne aus dem Augenwinke­l.

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FOTO: LENA REINER Jazz zum genauen Hinhören: Michael Wollny am Klavier eröffnet die einzelnen Lieder und erschafft zarte Klanggebil­de, Nils Landgren folgt mit Stimme und Posaune nach.
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FOTO: LENA REINER „Wie war das, als Du Funk gemacht hast, als alle dachten, das können nur dunkelhäut­ige Amerikaner?“Oliver Hochkeppel fühlt Nils Landgren (rechts) mit seinen Fragen auf den Zahn.

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