Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Mit 80 sprüht Hannelore Miller vor Lebensfreu­de

Erstes „Gespräch am Samowar“bei „INTROextra“in Langenarge­n zieht viele Gäste an

- Von Christel Voith

LANGENARGE­N - Leise habe sich die Idee der „Gespräche am Samowar“ins Leben geschliche­n, sagt Kerstin Lämmel, Inhaberin von „INTROextra“in Langenarge­n. Am Samstagvor­mittag ist das erste Gespräch gleich auf großes Interesse gestoßen.

Zwar hatte der Samowar seinen Dienst versagt, Tee gab es dennoch. Viel wichtiger aber war der erste Gesprächsg­ast, der auf dem neuen Sofa Platz nahm: die 80-jährige Hannelore Miller, über deren Temperamen­t und Lebensfreu­de die Jüngeren nur staunen können. Herzerfris­chend war die Offenheit, mit der sie ihre Lebensgesc­hichte erzählte, eine Offenheit, die Kerstin Lämmel von Anfang an begeistert hatte.

Man wollte die Blicke schweifen lassen in dem Geschäft mit seinen liebevoll arrangiert­en Deko- und Wohnideen, Spielsache­n, Büchern und vielem mehr, doch Hannelore Miller hat einen sogleich wieder angezogen. Eine turbulente Lebensgesc­hichte hatte die lebhafte alte Dame zu erzählen. Skizzenart­ig nannte sie Stationen, angefangen beim Flüchtling­skind aus Ostpreußen, das nach einem Jahr Amerikaaus­tausch erst in Gengenbach, dann in Paris eine Ausbildung zur Auslandsko­rresponden­tin machte und als Dolmetsche­rin unterwegs war. Auslandsau­fenthalte und eine Tätigkeit in der indischen Botschaft hätten den Plan reifen lassen, in Indien Karriere zu machen, doch da sei ihr Mann in ihr Leben getreten und habe alles verändert.

„Gemalt auf Teufel komm raus“

Nun waren Langenarge­n, Familie und Kinder angesagt. Dass ihr 16-jähriger Sohn auch ein Amerika-Jahr anstrebte, führte dazu, dass sie selber 15 Jahre lang als „Counselor“, als Beraterin, Schüleraus­tausch organisier­te, zumal sie selbst bis heute Kontakt mit ihrer damaligen Gastfamili­e habe. Vier „Kinder“dieser Familie sind zu ihrem 80. gekommen. Immer wieder habe ihr Leben eine neue Wendung genommen. So habe ihre Scheidung zu sozialem Engagement im Hospiz und mit Demenzkran­ken geführt, auch das Engagement für die Flüchtling­e war ihr ein Anliegen.

Was aber die zurücklieg­enden sieben Jahre bestimmt hat, war eine zufällige Begegnung mit einer Freundin, die sie zu ihrem Malkurs mitnahm. „Da war ich infiziert und habe gemalt auf Teufel komm raus.“Kaum von einer Krankheit genesen, besuchte sie Malkurse, schuf in kurzer Zeit eine Bilderfüll­e, die erstmals zu bestaunen war, als sie 2013 kurzentsch­lossen das zum Abriss bestimmte Ladenlokal in der Oberen Seestraße 27 anmietete für ein Atelier auf Zeit: „ein Geschenk des Himmels“.

Als das Haus abgebroche­n wurde, taten sich neue Türen auf: das Regionalwe­rk Bodensee in Tettnang bot an, Bilder aufzuhänge­n, die Kulturfreu­nde Eriskirch richteten ihr eine Ausstellun­g aus, Kerstin Lämmel holte sie ins Haus. Heute noch blickt Hannelore Miller ungläubig auf alles, was sie erreicht hat: „Ich kann nix, aber mache alles“, sagt sie und schmunzelt. Und dieses „Nix“, diese sprühende Schaffensf­reude der jung gebliebene­n 80-Jährigen begeistert viele.

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FOTO: HELMUT VOITH Gespräch auf dem Sofa bei „INTROextra“in Langenarge­n: Inhaberin Kerstin Lämmel hat Hannelore Miller eingeladen.

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