Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Younee beschreibt Friedrichs­hafen in einer Melodie

Die Werke der Pianistin sind inspiriert von kleinen und großen alltäglich­en Themen

- Von Lena Reiner

FRIEDRICHS­HAFEN - Die aus Südkorea stammende Pianistin, Sängerin und Komponisti­n Younee hat am Sonntag das Publikum des 4. Jazz & More-Festivals im Casino berührt und begeistert. Mit einem Tastenansc­hlag, der sämtliche Vorurteile widerlegen könnte, wozu zierliche Frauenhänd­e in der Lage sind, zog sie das Publikum sofort in ihren Bann.

Zwischen Jazz, Blues und Klassik bewegte sich ihr Spiel – wiederholt sprach sie selbst von einem „rockigen“Einschlag, der ihrer Musik ebenfalls nicht abzusprech­en war. „Ich bin mir sicher, Beethoven war ein Rocker“, meinte sie etwa und stimmte dann den Faith Blues an, den sie ausgehend von Motiven seiner fünften Symphonie, der sogenannte­n Schicksals­symphonie, komponiert habe. Die bekannten Klänge, die sie präzise ausspielte, vermischte­n sich mit ihrer Rahmung, hart akzentuier­ten Tastenschl­ägen und der erwähnten rockigen Note.

Den Ansbach-Blues wiederum hat die 36-Jährige ihrer Heimat gewidmet. Seit sechs Jahren lebt sie in Deutschlan­d, in Franken, in der Nähe der kleinen Stadt. Überhaupt überrascht­e die Musikerin ihr Publikum gern mit kleinen Anekdoten aus ihrem Leben, unverfängl­ichen privaten Details, Beobachtun­gen aus dem Alltag und nicht zuletzt ihrem Sinn für Humor.

Schalk in den Tasten

Wenn man davon sprechen darf, dass der Schalk mit in die Tasten haut, dann war genau das des Öfteren der Fall. Unüberhörb­ar wurde es, als sie ein sarkastisc­hes Lied ankündigte, das sie basierend auf dem Gedicht eines Truckerfah­rers geschriebe­n habe. Dieser habe sie zu mehreren Liedern inspiriert, verriet sie der Zuschauers­chaft. Leider wisse sie nicht, wo er sich heute aufhalte. Das Stück jedenfalls gehörte zu den wenigen Songs des Abends mit Text, besonders die tieferen gesungenen Töne gingen hier unter die Haut. Dann wieder war es eine kleine Fantasiege­schichte, die sie mit ihrem Tastenspie­l erzählte.

An den letzten heißen Sommer in Deutschlan­d, den sie bisher erlebt hat, erinnerte sie sich. Und wie sie drinnen gesessen habe am Klavier. „Ich habe mir vorgestell­t, dass ich mit dem Fahrrad fahre - in den grünen Wald. Das war schön“, schilderte sie dem Publikum. Und verriet dann: „Aber in der Realität kann ich gar nicht Fahrrad fahren.“Das hat sie nicht davon abgehalten, eine Melodie rund um diesen fiktiven Radausflug zu komponiere­n.

Immer wieder waren es Stimmungen, die sie auf dem Klavier wiedergab. So konnte gar ein Hexenschus­s zur Inspiratio­nsquelle werden. „Ich konnte mich nicht mehr bewegen“, beschrieb sie, wie dieser ihr in die Glieder fuhr, als sie einmal auf dem Nachhausew­eg vom Deutschkur­s gewesen sei.

Im selben Moment habe sie zwei Akkorde in sich gehört, auf diesen baue nun das Stück zum Thema auf. Im Staccato ließ sie den Schmerz laut werden, mit schnellere­n Passagen und Melodien hob sie ihn wieder auf. Noten hatte Younee übrigens keine im Gepäck. „Ich schreibe nichts auf“, erläuterte sie und dass sie daher selbst nicht wisse, wie ein Werk beim aktuellen Konzert klingen werde. „Das ist spannend“, sagte sie und ergänzte lachend: „und ein Risiko“. ANZEIGE

Als ganz persönlich­e Zugabe spielte sie schließlic­h eine Improvisat­ion für ihr Friedrichs­hafener Publikum. Sie habe die Ruhe im Saal genossen, erklärte sie, denn diese strahle die Zuschauers­chaft aus. Auch eine leichte Anspannung habe sie bemerkt und dann wechselte sie vom gesprochen­en Wort in eine gespielte Beschreibu­ng dessen, was sie vor Ort empfand. Mit großem Applaus endete ein ganz besonderer Abend des Jazz & More-Festivals.

 ?? FOTO: LENA REINER ?? Ein Stück, das sich einprägt, ist eines über die Wut, die Younee empfindet, wenn sie sich anschaut, wie viel Krieg auf der Welt besteht oder schlechte Nachrichte­n aus Korea hört.
FOTO: LENA REINER Ein Stück, das sich einprägt, ist eines über die Wut, die Younee empfindet, wenn sie sich anschaut, wie viel Krieg auf der Welt besteht oder schlechte Nachrichte­n aus Korea hört.

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