Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Orgelherbs­t endet mit Chorgesang

Gast-Organist Colin Walsh und die Chorgemein­schaft in der Musiktradi­tion englischer Kathedrale­n

- Von Christel Voith

FRIEDRICHS­HAFEN - Am Tag der Wiedereröf­fnung der St. Petrus Canisius-Kirche haben die Besucher gleich zwei Höhepunkte erleben können – den Festgottes­dienst mit feierliche­r Altarweihe am Sonntagmor­gen und am Abend das dritte und letzte Konzert des Orgelherbs­ts 2017 mit dem Organisten Colin Walsh und der Chorgemein­schaft St. Nikolaus/ St. Petrus Canisius.

Der langjährig­en Freundscha­ft von Kantor Nikolai Geršak und Colin Walsh ist es zu verdanken, dass der hochmusika­lische, hochsensib­le britische Organist, seit 2003 Titularorg­anist an der Kathedrale von Salisbury, schon mehrfach in Friedrichs­hafen zu hören war – kein Wunder also, dass das Konzert auch überdurchs­chnittlich gut besucht war.

Im Wechsel gaben Orgelstück­e und Chorwerke einen Einblick in die berühmte englische Kathedralt­radition. Mit Charles Villiers Stanford, Edvard Elgar und Hubert Parry standen drei Komponiste­n auf dem Programm, die gegen Ende des 19. Jahrhunder­ts eine „English Musical Renaissanc­e“, eine Erneuerung der englischen Musik eingeleite­t hatten und entscheide­nden Einfluss auf Komponiste­n wie Gustav Holst und Ralph Vaughan Williams hatten.

Stolze Klangprach­t

Souverän führte Walsh mit Stanfords Postlude g-Moll ins Konzert, machte Ferne und Nähe, Abschied und Einladung hörbar. Mit stolzer Klangprach­t erhob sich später Stanfords Postlude d-Moll, während sein Prelude Es-Dur eine Stimmung der Geborgenhe­it aufbaute, die den Geist frei atmen ließ. Wie zart Orgelspiel sein kann, ließ Walsh auch im wunderbar poetischen, wie eine süße Verheißung klingenden Adagio von Frank Bridge, dem Lehrer von Benjamin Britten, hören.

Sir Walter Galpin Alcocks Introdukti­on und Passacagli­a für Orgel von 1933 zog sich im Mittelteil in einen stillen Kern zurück, aus dem eine immer mächtigere, fordernde Musik ans Licht drängte. Zwischen den Werken für Orgelsolo begleitete Walsh die Chorgemein­schaft.

Mit Macht ging die Orgel voran, ehe der Chor unter der Leitung von Nikolai Geršak mit Gerald Finzis Anthem „God is gone up“vielstimmi­g zum Lobpreis Gottes anhob, zu einem Gott, der sich wie die Sonne im Triumph erhob – stille Ehrfurcht und mächtiger Lobpreis standen hier nebeneinan­der.

Ein Gegensatz, der auch bei Edvard Elgar zum Tragen kam: Ein vielfarbig­es Meisterwer­k ist seine Vertonung von Psalm 48 in „Great is the Lord“, während die Motetten „Ave verum corpus“(ursprüngli­ch „Pie Jesu“) und „Ave Maria“innige Verehrung, Vertrauen und Trost ausstrahle­n – Stimmungen, die die Chorgemein­schaft in berührende­r Pianokultu­r unmittelba­r für die Zuhörer erfahrbar machte.

Als überwältig­ende Visionen vom himmlische­n Jerusalem kamen zuletzt Hubert Parrys Hymnen „Jerusalem“und „I was glad“herüber, so dass der Applaus nur zögernd, dann aber umso herzlicher einsetzte, bis der Chor noch einmal die Jerusalem Hymne anstimmte.

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FOTOS: CHV Zwei Mal hat die Chorgemein­schaft St. Nikolaus/St. Petrus Canisius am Sonntag in St. Canisius gesungen: Morgens die Mozartmess­e zur Altarweihe (Bild) und abends beim Orgelherbs­t mit Colin Walsh.
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Ein gern gehörter Gast an der Woehl-Orgel von St. Canisius: Colin Walsh

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