Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Karlsruher Richter prüfen Zulassungsverfahren für Medizinstudenten
Vor dem Bundesverfassungsgericht wird die Frage verhandelt, wie aussagekräftig die Abiturnote für angehende Ärzte ist
BERLIN - Seit Mittwoch berät das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über Zulassungsvoraussetzungen zum Medizinstudium. Besonders im Fokus steht dabei die Bedeutung der Abiturnote. Der Vorsitzende des Ersten Senats, Ferdinand Kirchhof, warf die Frage auf, ob die Note in einem föderal differenzierten Bildungssystem überhaupt aussagekräftig ist.
Hintergrund dafür sind Klagen von zwei Bewerbern für das Studienfach Humanmedizin vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Nach Ansicht der dortigen Richter müssten auch Bewerber mit einer schwächeren Abiturnote eine realistische Chance auf einen Medizin-Studienplatz haben. Zudem sei der Verzicht auf Landesquoten bei der Vergabe über Noten ungerecht, weil die Abitur-Ergebnisse in den einzelnen Bundesländern nicht vergleichbar seien. Die Kläger hatten sich auf das Grundrecht auf freie Berufswahl berufen.
Humanmedizin ist ein Studiengang mit bundesweiter Zulassungsbeschränkung. 20 Prozent der Plätze werden an die Bewerber mit den besten Abiturnoten vergeben, weitere 20 Prozent nach Wartezeit. Maßgeblich dafür ist die Zeit, die seit dem Abitur vergangen ist. Für einen Medizin-Studienplatz waren zuletzt Noten zwischen 1,2 und 1,0 erforderlich. Die Vergabe erfolgt zentral über die Stiftung für Hochschulzulassung. Über die übrigen 60 Prozent der Plätze entscheiden die Hochschulen in eigenständigen Verfahren. Dabei können sich Bewerber auch durch Teilnahme am standardisierten „MedizinerTest“ empfehlen. Die Abiturnote spielt auch hier eine wichtige Rolle.
Es gibt weitaus mehr Bewerber als Medizin-Studienplätze. Zum Wintersemester 1994/95 hatte es 7366 Studienplätze für 15 753 Interessierte gegeben. 2014/15 standen 9001 Plätze für 42 999 Abiturienten zur Verfügung. Die Wartezeit beträgt inzwischen 15 Semester. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, sieht einen Bedarf an zusätzlichen Plätzen: „Wir brauchen mehr Studienplätze, um wieder ausreichend Ärzte für die Patientenversorgung zur Verfügung zu haben“, so Montgomery. Dringend notwendig sei eine Steigerung um zehn Prozent.
Im Frühjahr haben Bund und Länder den „Masterplan Medizinstudium 2020“auf den Weg gebracht. Demnach soll die Abiturnote auch weiterhin wichtiges Auswahlkriterium bleiben. Das Hochschulrecht soll aber so geändert werden, dass soziale und kommunikative Kompetenzen sowie einschlägige Berufserfahrung etwa im Gesundheits- oder Pflegebereich ein stärkeres Gewicht erhalten sollen.