Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Theresa May entschuldi­gt sich für schiefgela­ufene Parlaments­wahl

Beim Parteitag der konservati­ven Tories wird das schwierige Thema Brexit in den Reden möglichst ausgeklamm­ert

- Von Sebastian Borger

LONDON - Mit günstigere­n Preisen für Strom und Gas sowie Zehntausen­den neuen Sozialwohn­ungen wollen die britischen Konservati­ven verloren gegangene Popularitä­t zurückgewi­nnen. In ihrer von mehreren Hustenanfä­llen sowie einem Komödiante­n unterbroch­enen Rede zum Abschluss des Parteitags in Manchester versprach die erkältete Premiermin­isterin Theresa May am Mittwoch, sie und ihre Minderheit­sregierung würden „unsere Pflicht für Großbritan­nien“tun. „Wir werden uns um die Jobsicherh­eit der Bürger kümmern, nicht um unsere eigene“, sagte die angeschlag­ene Regierungs­chefin in Anspielung auf Außenminis­ter Boris Johnson, der zuletzt mehrfach Mays Autorität infrage gestellt hatte.

Das viertägige Jahrestref­fen war überschatt­et vom Ergebnis der Unterhausw­ahl im Juni. Der von May vorzeitig anberaumte Urnengang brachte der seit 15 Monaten amtierende­n Premiermin­isterin nicht den erhofften Erdrutschs­ieg, sondern trotz Stimmenzuw­achs empfindlic­he Mandatsver­luste. Sie sei für den „zu hölzernen und zu präsidiale­n Wahlkampf“verantwort­lich, räumte May ein: „Das tut mir leid.“

Ihren verzagt wirkenden Delegierte­n versuchte die Tory-Chefin mit heftigen Angriffen auf Opposition­sführer Jeremy Corbyn Mut zu machen. Dessen geplante Verstaatli­chung von Eisenbahn und Energiever­sorgern sei unbezahlba­r. Allerdings blieb der Beifall spärlich. Hingegen hatten die Labour-Delegierte­n vor Wochenfris­t ihren Chef mit minutenlan­gen Gesängen gefeiert. Labour hatte im Juni zehn Prozent der Stimmen sowie eine Reihe von Mandaten dazugewonn­en; in den Umfragen liegt die Opposition­spartei mit 43:39 Prozent vor den Torys.

Mehrfach reicherte die als kühl und unnahbar geltende May ihre gut einstündig­e Rede mit persönlich­en Details an. Um die Torys als Partei der sozialen Aufsteiger zu kennzeichn­en, erzählte sie von ihrer Großmutter, die als Dienstmagd gearbeitet habe. „Unter ihren Enkelkinde­rn sind drei Professore­n und eine Premiermin­isterin.“Jede Generation setze sich dafür ein, dass es der nächsten besser gehen solle. Diesen Ehrgeiz teile sie voll und ganz, obwohl „Philip und ich nicht mit Kindern gesegnet wurden“, sagte die 61-Jährige, die seit 37 Jahren mit einem Banker verheirate­t ist.

Details über die versproche­nen sozialen Wohltaten blieb May schuldig. Ihre Regierung werde in diesem Herbst ein neues Gesetz im Parlament einbringen, das die Energiepre­ise für sozial Schwache deckeln soll. Den sozialen Wohnungsba­u haben Regierunge­n unterschie­dlicher Couleur seit drei Jahrzehnte­n vernachläs­sigt. May beließ es bei Appellen an die Baubranche. Außerdem will die Regierung ein Programm, das kaufwillig­en jungen Leuten zu Hauskredit­en verhilft, auf zehn Milliarden Pfund aufstocken.

Über den Brexit sprach Theresa May erst nach 30 Minuten. Sie verwies auf ihre Rede in Florenz, in der sie der EU erstmals finanziell­es Entgegenko­mmen versproche­n hatte. Ausdrückli­ch wandet sich die Premiermin­isterin an die gut drei Millionen EU-Bürger auf der Insel: „Sie sind willkommen. Wir möchten, dass Sie bleiben.“

Die wenigen Sätze über das wichtigste Thema britischer Politik spiegelten die Parteitags­regie wider. Da die Konservati­ven auch 16 Monate nach dem Referendum noch vollkommen uneins darüber sind, wie und in welchen Etappen der EU-Austritt vollzogen werden soll, wurde das Thema in den Reden der Minister weitgehend ausgeblend­et. Hingegen waren alle Brexit-Veranstalt­ungen am Rande der Zusammenku­nft brechend voll.

Dass die erkältete Rednerin durchhielt, nötigte selbst politische­n Kontrahent­en Respekt ab: Die „tapfere Premiermin­isterin“halte durch, teilte Vincent Cable von den Liberaldem­okraten mit, „während ihre Minister unverhohle­n gegen sie konspirier­en“.

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FOTO: DPA Die britische Premiermin­isterin Theresa May redete beim Parteitag der Konservati­ven nur wenig über den Brexit.

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