Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Die Gegner des Papstes verschärfen den Richtungsstreit
Dicke Luft im Vatikan. In einem offenen Brief werfen 62 katholische Gelehrte Papst Franziskus Häresie, also Abweichen von der Lehre, vor. Auch wenn die Unterzeichner des Dokuments mit dem lateinischen Namen „Correctio Filialis“Traditionalisten und Hardliner sind und keine Kardinäle darunter sind: Tatsache ist, dass die Gegner des Reformpapstes immer selbstbewusster ihr Haupt erheben.
Die Autoren, darunter konservative Geistliche und Journalisten, beziehen sich auf bestimmte Punkte im päpstlichen Schreiben „Amoris Laetitia“, das in Folge der Familiensynode im April 2016 erschienen war. „Unter den Konservativen brodelt es immer stärker“, weiß Sandro Magister, Vatikanexperte des Wochenmagazins „Espresso“. Im Zentrum der Kritik steht vor allem der Versuch, geschiedene Wiederverheiratete zur Eucharistie zuzulassen. Hier würden Dogmen infrage gestellt, heißt es, und das dürfe auch ein Papst nicht.
Dem Schreiben seiner Kritiker ging eine brisante Entscheidung von Franziskus voraus: In einem päpstlichen Schreiben hatte Franziskus angekündigt, dem „Päpstlichen Institut Johannes Paul II für Studien zu Ehe und Familie“eine neue Ausrichtung geben zu wollen – ganz im Sinn der Familiensynode, die gerade unter Konservativen für ihre Öffnung unter anderem gegenüber wiederverheiratet Geschiedenen und auch homosexuellen Menschen für scharfe Kritik sorgte. Das Institut für Studien zu Ehe und Familie, so die Befürchtung der Papstkritiker, werde somit zu einer Reforminstitution umgebaut, die die traditionelle Familie auf den Kopf stellen werde.
Der Papst, heißt es im Schreiben seiner Kritiker, habe die Kirche in „eine einzigartige Krise“geführt, denn der „Modernismus“sei für die Relativierung von Glaubensinhalten verantwortlich. Scharf kritisiert wird auch die „beispiellose Sympathie“von Franziskus für Martin Luther.
Die Zeit nach Franziskus
Die Gegner arbeiteten zwar nicht in Richtung eines Sturzes des Papstes, aber sie bereiteten die Zeit nach Franziskus vor, sagt der Vatikan-Autor Marco Politi: „Ziel der Bewegung ist vor allem, die nächste Papstwahl zu beeinflussen.“Unter den 63 Erstunterzeichnern ist – mit Ausnahme von Bernard Fellay von der Priesterbruderschaft Pius X. – kein Bischof, kein Kardinal, kein namhafter Theologe. Aber die Papstkritiker verschaffen sich mehr Gehör. Das gilt auch für den Bereich der vatikanischen Finanzen. Kürzlich hatte der im Juni überraschend zurückgetretene Wirtschaftsprüfer des Vatikans, Libero Milone, erklärt, rund eine Milliarde Euro seien von verschiedenen Kongretationen innerhalb des Kirchenstaates auf Konten versteckt, um diese Gelder nach Gutdünken zu verwenden. Er, Milone, habe zusammen mit seinem direkten Vorgesetzten, dem ehemaligen vatikanischen Finanzminister George Pell, versucht, Klarheit über diese Gelder zu erhalten. Dabei sei man auf Widerstand gestoßen. Die Gegner in der römischen Kurie, so Milone, hätten ihn schließlich gemobbt. Das erkläre seinen Rücktritt.
Der Vatikan wiederum warf Milone vor, seine Schweigepflicht gebrochen und als Chef des Revisorenbüros illegalerweise eine externe Firma beauftragt zu haben, um das Privatleben von Angestellten des Heiligen Stuhls auszuspionieren.