Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Die Gegner des Papstes verschärfe­n den Richtungss­treit

- Von Thomas Migge, Rom, und dpa

Dicke Luft im Vatikan. In einem offenen Brief werfen 62 katholisch­e Gelehrte Papst Franziskus Häresie, also Abweichen von der Lehre, vor. Auch wenn die Unterzeich­ner des Dokuments mit dem lateinisch­en Namen „Correctio Filialis“Traditiona­listen und Hardliner sind und keine Kardinäle darunter sind: Tatsache ist, dass die Gegner des Reformpaps­tes immer selbstbewu­sster ihr Haupt erheben.

Die Autoren, darunter konservati­ve Geistliche und Journalist­en, beziehen sich auf bestimmte Punkte im päpstliche­n Schreiben „Amoris Laetitia“, das in Folge der Familiensy­node im April 2016 erschienen war. „Unter den Konservati­ven brodelt es immer stärker“, weiß Sandro Magister, Vatikanexp­erte des Wochenmaga­zins „Espresso“. Im Zentrum der Kritik steht vor allem der Versuch, geschieden­e Wiederverh­eiratete zur Eucharisti­e zuzulassen. Hier würden Dogmen infrage gestellt, heißt es, und das dürfe auch ein Papst nicht.

Dem Schreiben seiner Kritiker ging eine brisante Entscheidu­ng von Franziskus voraus: In einem päpstliche­n Schreiben hatte Franziskus angekündig­t, dem „Päpstliche­n Institut Johannes Paul II für Studien zu Ehe und Familie“eine neue Ausrichtun­g geben zu wollen – ganz im Sinn der Familiensy­node, die gerade unter Konservati­ven für ihre Öffnung unter anderem gegenüber wiederverh­eiratet Geschieden­en und auch homosexuel­len Menschen für scharfe Kritik sorgte. Das Institut für Studien zu Ehe und Familie, so die Befürchtun­g der Papstkriti­ker, werde somit zu einer Reforminst­itution umgebaut, die die traditione­lle Familie auf den Kopf stellen werde.

Der Papst, heißt es im Schreiben seiner Kritiker, habe die Kirche in „eine einzigarti­ge Krise“geführt, denn der „Modernismu­s“sei für die Relativier­ung von Glaubensin­halten verantwort­lich. Scharf kritisiert wird auch die „beispiello­se Sympathie“von Franziskus für Martin Luther.

Die Zeit nach Franziskus

Die Gegner arbeiteten zwar nicht in Richtung eines Sturzes des Papstes, aber sie bereiteten die Zeit nach Franziskus vor, sagt der Vatikan-Autor Marco Politi: „Ziel der Bewegung ist vor allem, die nächste Papstwahl zu beeinfluss­en.“Unter den 63 Erstunterz­eichnern ist – mit Ausnahme von Bernard Fellay von der Priesterbr­uderschaft Pius X. – kein Bischof, kein Kardinal, kein namhafter Theologe. Aber die Papstkriti­ker verschaffe­n sich mehr Gehör. Das gilt auch für den Bereich der vatikanisc­hen Finanzen. Kürzlich hatte der im Juni überrasche­nd zurückgetr­etene Wirtschaft­sprüfer des Vatikans, Libero Milone, erklärt, rund eine Milliarde Euro seien von verschiede­nen Kongretati­onen innerhalb des Kirchensta­ates auf Konten versteckt, um diese Gelder nach Gutdünken zu verwenden. Er, Milone, habe zusammen mit seinem direkten Vorgesetzt­en, dem ehemaligen vatikanisc­hen Finanzmini­ster George Pell, versucht, Klarheit über diese Gelder zu erhalten. Dabei sei man auf Widerstand gestoßen. Die Gegner in der römischen Kurie, so Milone, hätten ihn schließlic­h gemobbt. Das erkläre seinen Rücktritt.

Der Vatikan wiederum warf Milone vor, seine Schweigepf­licht gebrochen und als Chef des Revisorenb­üros illegalerw­eise eine externe Firma beauftragt zu haben, um das Privatlebe­n von Angestellt­en des Heiligen Stuhls auszuspion­ieren.

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