Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Revolution in der Biochemie

Nobelpreis für Deutschen, Schweizer und Briten – Wichtiger Beitrag zur Medikament­enforschun­g

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STOCKHOLM (AFP/dpa) - Der Chemie-Nobelpreis geht in diesem Jahr an den gebürtigen Deutschen Joachim Frank, den Schweizer Jacques Dubochet und den Briten Richard Henderson. Wie die schwedisch­e Akademie der Wissenscha­ften am Mittwoch mitteilte, wurden sie für ihre Beiträge zur Entwicklun­g der Kryo-Elektronen­mikroskopi­e ausgezeich­net, einer Methode zur besseren Darstellun­g von Biomolekül­en. Die Methode revolution­iert die Biochemie – und wohl auch die Medikament­enforschun­g. „Sie haben eine komplett neue Welt für uns geöffnet“, urteilt Nobel-Juror Peter Brzezinski.

Die Methode verschaffe neue Einblicke in die „Moleküle des Lebens“, erklärte der Akademie-Vorsitzend­e Göran Hansson. Sie ermögliche den Forschern eine dreidimens­ionale Abbildung biologisch­er Moleküle. Damit hätten sie die Biochemie in eine „neue Ära“geführt. Die Möglichkei­t, bisher nicht-sichtbare Prozesse zu visualisie­ren, sei zum Verstehen der „Chemie des Lebens“ebenso wichtig wie für die Entwicklun­g von Arzneimitt­eln.

Die Kryo-Elektronen­mikroskopi­e ermöglicht es den Forschern, Strukturen auf molekulare­r Ebene sichtbar zu machen. Mit Hilfe der neuen Technik gelingt es ihnen, Biomolekül­e in ihrem natürliche­n Zustand einzufrier­en, ohne wie vorher ihre Beschaffen­heit verändern zu müssen. So lassen sich kleinste Details von Zell-Strukturen, Viren und Proteinen erforschen. Durch die KryoElektr­onenmikros­kopie konnten Forscher unter anderem ihren Verdacht bestätigen, dass das Zika-Virus für die vielen Neugeboren­en mit Schädelfeh­lbildungen in Brasilien verantwort­lich war. Für die Medikament­enforschun­g ist Kryo-Elektronen­mikroskopi­e ein großer Schritt nach vorne: Diese könne im Detail zeigen, wo ein Medikament sich an ein Molekül bindet, erläuterte KarlPeter Hopfner vom Gene Center der LMU München. Sie sei damit geeignet, die Entwicklun­g von Antibiotik­a und Medikament­en voranzubri­ngen. „Das fängt gerade erst an.“

Der in Siegen geborene 77-jährigen Biophysike­r an der New Yorker Columbia University, Joachim Frank, entwickelt­e zwischen 1975 und 1986 eine Methode, mit der die unscharfen zweidimens­ionalen Bilder der herkömmlic­hen Elektronen­mikroskope zu einer scharfen dreidimens­ionalen Struktur zusammenfü­gt wurden.

Feiern zur „Tea-Time“

In den frühen 1980er-Jahren gelang es dem heute 75-jährigen Schweizer Biophysike­r Dubochet, mithilfe von rasch herunterge­kühltem Wasser auch Moleküle unter dem Elektronen­mikroskop zu untersuche­n. 1990 dann konnte der heute 72-jährige britische Molekularb­iologe Henderson erstmals die dreidimens­ionale Struktur eines Proteins in atomarer Auflösung darstellen.

Frank wurde von der Verkündung seines Nobelpreis­es im Schlaf überrascht. „Das sind wunderbare Nachrichte­n“, sagte er per Video-Schalte. Die Nachricht lasse ihn „in gewisser Weise sprachlos“, denn jeden Tag gebe es so viele neue Entdeckung­en. Henderson, der an der Cambridge University forscht, sagte, er werde am Donnerstag zur traditione­llen „Tea-Time“in Cambridge feiern.

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FOTO: DPA Das Karolinska-Institut zeigt Fotos der Preisträge­r. Im Bild oben ist zu sehen, wie detaillier­t man die Moleküle dank ihrer Arbeit inzwischen unter die Lupe nehmen kann.

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