Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ärzteiniti­ative macht mobil

Forderung: „Antibiotik­avergabe in der Massentier­haltung muss verboten werden“

- Von Ralf Schäfer Interessen­ten können sich per E-Mail melden bei beiterhelm­ut@yahoo.de

FRIEDRICHS­HAFEN - Die vorübergeh­ende Schließung der Intensivst­ation des Klinikums Friedrichs­hafen, eine geplante Massentier­haltung in Ostrach und die Weigerung von Bundesland­wirtschaft­sminister Christian Schmidt (CSU), Antibiotik­a in der Massentier­haltung zu verbieten, haben den Eriskirche­r Arzt Helmut Beiter alarmiert. Er hat Kollegen angerufen und fordert mit ihnen in einer Anzeige das Verbot von Antibiotik­a in der Massentier­haltung.

„Wenn Intensivst­ationen wegen resistente­r Keime schließen, wie jetzt in Friedrichs­hafen, dann versteht auch der Laie, dass die Infektion (mit schlecht oder nicht mehr behandelba­ren Keimen) jetzt jeden treffen kann.“So beginnt der Anzeigente­xt, mit dem die „Ärzteiniti­ative-Bodenseekr­eis“ein sofortiges Verbot von Reserveant­ibiotika in der Massentier­haltung fordert.

Diese Vergabe von Antibiotik­a in der Tierhaltun­g sei in der Tat ein großes Problem, sagt auch die HygieneVer­antwortlic­he am Medizin-Campus Bodensee, Brigitte Rüstau. Nicht das Klinikum sei verantwort­lich, wenn resistente Keime gefunden würden. Das sind Keime, gegen die durch Mutationen der Bakterien die Medizin keine Wirkung mehr hat. Diese würden immer häufiger auftreten und gerade durch solche Massentier­haltungen entstehen. „In der Tierhaltun­g werden bundesweit jährlich rund 1700 Tonnen Antibiotik­a verfüttert. Bei Hähnchen und Puten in erster Linie als Wachstumsf­örderer. In den deutschen Kliniken sind es vier Tonnen, die dort ausschließ­lich als Medikament vergeben werden“, sagt Brigitte Rüstau.

Bei Patienten, die aus Risikogrup­pen stammen, müssen sogenannte Screening-Verfahren gestartet werden. Diese Gruppe ist vom RobertKoch-Institut definiert und setzt sich aus Tierärzten, Landwirten und anderen Mitarbeite­rn in oder rund um die Massentier­haltungen sowie Patienten mit vorheriger Antibiotik­abehandlun­g zusammen. Bei diesem Screening werden immer häufiger solche multiresis­tenten Keime gefunden, gegen die es keine Behandlung­smethoden gibt. Ein Screening ist ein Nasen- und Rachenabst­rich sowie ein Rektalabst­rich bei den Patienten, selbst wenn die nur ein Bein gebrochen haben.

„Die Keime treten auch in zwei bis drei Kilometern Entfernung von den Ställen im Abwasser auf“, sagt Rüstau. „Ihr vermehrtes Auftreten führt dazu, dass die Kliniken, die ihre Arbeit richtig machen, auch häufiger diese Keime finden.“

Die Schließung der Intensivst­ation in Friedrichs­hafen sei dabei nur eine Vorsichtsm­aßnahme gewesen, damit die Keime sich nicht ausbreiten oder bei den jeweiligen Patienten für Komplikati­onen sorgen. Resistente Keime könnten in der Darmflora angesiedel­t sein und keinerlei Schaden verursache­n. Gelangen sie aber in andere Bereiche des Körpers, könne es gefährlich werden, und da sie resistent sind, seien sie nicht behandelba­r, sagt die Hygienefac­hfrau Brigitte Rüstau.

Arzt will aufmerksam machen

Helmut Beiter hat sich seit Jahren mit dem Thema befasst. Schon im Studium begegnete ihm das Buch der Biologin Rachel Carson, „Der stumme Frühling“, das als Initialzün­dung für die weltweite Umweltbewe­gung gesehen wird. „Ich habe auf der Agrarmesse in Friedrichs­hafen einen Informatio­nsstand betreut, um auf die Probleme aufmerksam zu machen“, sagt Helmut Beiter. Seit er pensionier­t ist, habe er Zeit dazu. Die Nachricht über einen geplanten 1000-Tiere-Stall in Ostrach und die temporäre Schließung der Intensivst­ation in Friedrichs­hafen habe ihn dazu gebracht, rund 100 ihm bekannte Kollegen anzuschrei­ben, von denen 33 geantworte­t hätten und sich an der Anzeige beteiligen wollten. „Möglicherw­eise waren viele im Urlaub, andere habe ich nicht erreicht, die können sich noch melden und teilnehmen“, sagt Beiter. Die Reserveant­ibiotika, die in der Tierhaltun­g verabreich­t werden, seien für die Humanmediz­in weit wichtiger, so Beiter. Man müsse auf diese Probleme vermehrt aufmerksam machen. Wie es jetzt weitergehe­n soll, weiß er noch nicht. Auf jeden Fall will er das Thema in die Öffentlich­keit tragen.

 ?? FOTO: JENS BÜTTNER/DPA ?? Die Vergabe von Antibiotik­a in der Massentier­haltung wird von vielen Fachleuten und Medizinern als eine der Ursachen für die Entstehung von multiresis­tenten Keimen und für die Humanmediz­in als sehr problemati­sch betrachtet.
FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Die Vergabe von Antibiotik­a in der Massentier­haltung wird von vielen Fachleuten und Medizinern als eine der Ursachen für die Entstehung von multiresis­tenten Keimen und für die Humanmediz­in als sehr problemati­sch betrachtet.
 ?? FOTO: RALF SCHÄFER ?? Dr. med. Helmut Beiter aus Eriskirch will die Antibiotik­avergabe in der Massentier­haltung verbieten lassen.
FOTO: RALF SCHÄFER Dr. med. Helmut Beiter aus Eriskirch will die Antibiotik­avergabe in der Massentier­haltung verbieten lassen.

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