Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wo soll´s eigentlich hingehen?
Zur neuen Mitte Fischbachs:
Gottlob gibt es höhere Instanzen in unser aller Leben, die für den einfachen Bürger zu entscheiden vermögen, was gut ist und was nicht. Ohne sie wären wir doch nie in den Genuss einer städtebaulichen Meisterleistung dieses Ausmaßes gekommen: die neue Mitte Fischbach. Und Gottlob werden dieselben Instanzen mit viel Weitblick das gefühlvolle Modellieren der restlichen Fischbacher Brache vorantreiben. Der Wettbewerb läuft, und die Planer denken sich die Köpfe heiß.
Wie man mit diesem morschen Fleckchen Erde auch umgehen mag, ob loses oder dichtes Wohnen (ein hysterischer Ruf nach enormem Wohnraumbedarf gellt durchs Land), ob mit oder ohne Läden, ob mit oder ohne Zentrum, ob so oder anders – es bleibt immer der Geschmack von „verordnetem Leben“. Alles geplant, an alles gedacht, alles bestimmt und geregelt. So zeigt sich ein Menschenbild, das auf tragische Weise kaserniert, gleichrichtet und jede potenzielle Eigendynamik abwürgt. Dazu kommt die städtebauliche Dichte, die damit droht, dass Lebensraum eng wird, so eng, dass bald die Luft zum Atmen fehlt.
Wie soll man als Dorfbewohner – und Fischbach ist ein Dorf – mit dieser neuen Dichte klarkommen, wo in nächster Nachbarschaft noch eine Gartensiedlung aus den 30er-Jahren steht? Die Höpkers’sche Gartenidylle ist mitunter der Kern des Fischbacher Selbstverständnisses! Ist das jetzt Nebensache?
Noch sind die Einwohnerzahlen Friedrichshafens steigend. Doch zur Übung können wir uns die Fischbacher Mitte einmal halb leer stehend vorstellen, im EG noch rührend bewohnt von einer alleinstehenden älteren Dame mit Spitzengardinen und Blumen im Fenster. Das könnte der weiteren Bebauung dereinst auch blühen.
Vielleicht sollten wir lernen, Siedlungen zu bauen, die auch leichter rückgebaut werden können, sollte deren Masse nicht mehr benötigt werden. Und diese Zeiten werden kommen.
Doch erst einmal wird es noch viel größer werden müssen. Und auch wenn wir diese Bewegung nicht stoppen können, denn sie ist gewaltig, bleibt die Frage: Wohin driften wir und um welchen Preis?
Marion Draenert,
Friedrichshafen