Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ganz schön politisch

Frauenbund thematisie­rt Sexarbeit und fehlendes Amt der Priesterin

- Von Lena Reiner

FRIEDRICHS­HAFEN - Am 6. Oktober feiert der katholisch­e deutsche Frauenbund in Friedrichs­hafen sein 100jährige­s Bestehen. Die erste Vorsitzend­e des katholisch­en Frauenbund­es Friedrichs­hafen, Stephanie Glatthaar, die geistliche Beirätin Barbara Kunz und die ehemalige Vorsitzend­e Margarete Westerholt blicken auf das Engagement des Frauenbund­es zurück.

„Priesterin? Ich würde nicht die ganze Welt gegen mich aufbringen, um eine zu werden, dafür bin ich nicht der Typ, aber stünde uns Frauen das Amt offen, dann wäre ich eine“, meint Kunz und ergänzt, dass häufig vergessen werde, dass bereits im frühen Christentu­m Frauen wichtige Rollen einnehmen durften. „Es ist überliefer­t, dass es Gemeindele­iterinnen gab. Irgendwie hat das Patriarcha­t das verdrängt.“

Heute erinnere der seit drei Jahrzehnte­n ausgericht­ete „Tag der Diakonin“daran, dass manche Ämter der katholisch­en Kirche nach wie vor nur Männern offenstünd­en. Das sei eines der Themen, auf das der katholisch­e Frauenbund versuche aufmerksam zu machen und Einfluss zu nehmen. Die Gleichbere­chtigung der Frau voranzubri­ngen, ganz generell, sei ein traditione­ller Schwerpunk­t ihrer Arbeit, betont die geistliche Beirätin des Häfler Ablegers des Frauenbund­es. „Wir sind schon ganz schön politisch, auch wenn sich katholisch­er Frauenbund vielleicht erst einmal nicht danach anhört.“

Ein aktuelles Thema ihrer Arbeit sei die Prostituti­on. Deutschlan­d werde als Bordell Europas bezeichnet, die Legalisier­ung dieser habe zur Folge gehabt, dass sich Zuhälter ausbreiten konnten. „Mir scheint die Schätzung realistisc­h, dass nur etwa ein Prozent freiwillig Prostituie­rte sind“, meint Kunz. Und dass sie trotzdem nicht glaube, dass man den „Frauenhand­el“je gänzlich abschaffen könne. Dennoch sei es wichtig, sich dafür zu engagieren. „Wir haben uns der Kampagne ,#rotlichtau­s’ angeschlos­sen“, fügt Stephanie Glatthaar hinzu. Außerdem blickt diese in die Geschichte zurück, wie wichtig die Organisati­on gewesen sei, als Frauen weniger gleichbere­chtigt waren als heute. So habe sich der Frauenbund für das Wahlrecht von Frauen eingesetzt, sich für die Gründung der ersten Frauenhäus­er stark gemacht und sich generell dafür eingesetzt, für Frauen das Leben besser zu gestalten. „Auch die Ursprünge der Bahnhofsmi­ssion sind aus einer vom Frauenbund eingericht­eten Anlaufstel­le für Frauen heraus entstanden.“Unter dem nationalso­zialistisc­hen Regime seien dann alle politische­n Tätigkeite­n des Bunds sowie aller Vereine verboten worden. Gänzlich unpolitisc­h sei er jedoch nie gewesen und sowieso eine wichtige Anlaufstel­le, gerade für verheirate­te Frauen. Margarete Westerholz, die von 1978 bis 1986 den ersten Vorsitz innehatte, schmückt aus: „Wenn ich von meiner Mutter erzählen darf: Sie hat mit 21 geheiratet. Da sagte dann ihre Schwiegerm­utter: ,Du bist jetzt eine junge Frau, du kannst jetzt in den Frauenbund.’ Und das hat sie dann brav gemacht und blieb bis zu ihrem Tod mit 100 Jahren Mitglied.“Viele Ehemänner hätten damals ihren Frauen überhaupt nur zu den monatliche­n Treffen den Gang aus dem Haus erlaubt, einfach nach draußen gehen, das habe sich damals nicht „geziemt“.

Neuzugänge erwünscht

Sie selbst sei dann 1978 erste Vorsitzend­e geworden und habe angefangen, neben den regelmäßig ausgericht­eten Spendenbas­aren ein buntes Kulturprog­ramm für die Frauen auf die Beine zu stellen. „Das machen sie heute auch noch sehr gut, ich mag das aktuelle Programm“, lobt sie ihre Nachfolger­innen. Etwas wehmütig wird sie allerdings bei der aktuellen Mitglieder­zahl von gerade einmal 50 Frauen. „Früher waren das mindestens 200, ganz genau weiß ich es leider nicht mehr.“Auch Kunz und Glatthaar wünschen sich junge Neuzugänge und hoffen, dass ihre politische­n Aktivitäte­n dazu motivieren.

Eine Gelegenhei­t, den Frauenbund kennenzule­rnen, bietet sich am 6. Oktober bei den Feierlichk­eiten zum 100-jährigen Jubiläum. Diese beginnen mit einem Gottesdien­st in der St. Canisius-Kirche um 17 Uhr und enden um 20 Uhr mit einem Auftritt der Kabarettis­tin Marlies Blume, die sich mit viel Augenzwink­ern mit Feminismus und Frauen im Generellen befasst. Das Kabarett findet im Haus der kirchliche­n Dienste statt, der Eintritt ist frei.

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FOTO: LENA REINER Die ehemalige erste Vorsitzend­e des Frauenbund­es, Margarete Westerholt, die heutige Vorsitzend­e, Stephanie Glatthaar, und die geistliche Beirätin Barbara Kunz schwelgen gemeinsam in Erinnerung­en.

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