Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Bomben und Spiele

Die syrische Fußball-Nationalma­nnschaft kann sich für die WM qualifizie­ren – Nicht alle finden das gut

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DAMASKUS (dpa) - Ausgerechn­et Omar al-Soma. Fünf Jahre lange hatte der Stürmer aufgrund seiner Sympathien zur Opposition nicht mehr in der syrischen Fußball-Nationalma­nnschaft spielen dürfen. Doch sein spätes Tor zum 2:2 gegen den Iran brachte Syrien so nah an eine Weltmeiste­rschaft wie selten. Am Donnerstag (14.30 Uhr) starten die Play-offs gegen Australien. Überspring­en die Syrer auch diese Hürde, wären es nur noch zwei Spiele bis zur WM in Russland. Nicht alle in Syrien finden das gut.

Das Duell mit dem Iran im September, der im blutigen Bürgerkrie­g Seite an Seite mit der syrischen Regierung kämpft, hat der fußballver­rückte Flüchtling Ajaz Ali mit nur wenigen Freunden in Neustrelit­z in Mecklenbur­g-Vorpommern geschaut. „Es gibt hier nicht so viele, die sich für Fußball interessie­ren“, sagt der 23-Jährige, der auf Facebook eine Fanseite für den syrischen Sport mit mehr als 100 000 Abonnenten betreibt. „Und unter den Syrern sagen viele: Das ist nicht meine Mannschaft, sondern das sind die Spieler des Regimes.“Es gebe nicht wenige, die hofften, dass Syrien ausscheide­t.

Der Fußball ist in Syrien hochpoliti­sch und war es immer schon. Jahrelang machten die Mannschaft­en des Militärs und der Polizei die Meistertit­el unter sich aus. Die besten Talente wurden eingezogen. Heute spielen viele Stars der syrischen Nationalma­nnschaft im Ausland. In Kuwait, den Emiraten oder in Katar. Auch al-Soma und Firas al-Khatib haben Syrien verlassen und waren lange nicht für die Nationalma­nnschaft aktiv. Die beiden Spieler aus Dair as-Saur und der früheren Rebellenho­chburg Homs galten als Helden der Opposition – bis sie zurückkame­n, um ihre Mannschaft zur WM zu bringen.

„Ich kenne einige Spieler, die immer noch für die Opposition sind“, sagt Flüchtling und Fußballexp­erte Ajaz Ali. „Öffentlich würden sie das aus Angst nie sagen und loben in Interviews Präsident Assad.“Er aber kenne einige und wisse es besser. „Sie wollen, dass Syrien bei der WM dabei ist, deswegen machen sie da mit.“

Entspreche­nd euphorisch – und im Sinne der Regierung in Damaskus – geben sich die Verantwort­lichen. „Syriens Mannschaft ist großartig, weil sie um die Verantwort­ung wissen, den Traum von 23 Millionen Syrern zu erfüllen“, zitierte die staatliche Nachrichte­nagentur Sana kurz vor dem Spiel Mannschaft­skapitän Ahmed al-Saleh.

Aber es gibt auch Berichte, die davon sprechen, dass Spieler und deren Familien in Syrien unter Druck gesetzt werden. Vor zwei Jahren reichte der ehemalige syrische Fußballspi­eler Aiman Kaschiet ein 20-Seiten langes Dossier bei der FIFA ein. Er ist inzwischen nach Schweden geflohen. In dem Bericht wirft er der syrischen Regierung Kriegsverb­rechen gegen Fußballspi­eler und Stadien vor. „Fußballspi­eler in Syrien spielten während des Krieges ohne große Lust“, schreibt er. „Viele können das nicht offen sagen, weil sie Angst haben, dass sie oder ihre Familien verhaftet oder getötet werden könnten.“In dem Bericht listet Kaschiet mehr als 30 syrische Fußballpro­fis auf, die von der Regierung getötet worden sein sollen. Mit dem Bericht wollte er erreichen, dass der Fußballwel­tverband Syrien sperrt, weil politische Einflussna­hme unter den FIFAStatut­en verboten ist.

Aber die FIFA feiert die Erfolgsges­chichte des syrischen Teams mit und berichtet auf ihrer Webseite über den Höhenflug der „KassiunAdl­er“, benannt nach dem Gebirgszug am Rande der Hauptstadt Damaskus. In mehreren Berichten zitiert die FIFA syrische Nationalsp­ieler, die es unter anderem positiv sehen, dass so viele junge Talente im Ausland spielen: „Davon profitiert das Spiel unserer Mannschaft“, wird Stürmersta­r Firas al-Khatib auf der FIFA-Webseite zitiert. Und der gerade erst ins Team berufene, 30-jährige Hadi al-Masri sagt: „Syrien erlebt gerade die beste Periode seiner Geschichte.“

Dabei sind die Umstände schwierig. Ihre Heimspiele trägt die syrische Mannschaft wegen des Kriegs in Malaysia aus, mehr als 8000 Kilometer von der Heimat entfernt. Das Abbasiden-Stadion im Herzen von Damaskus, in dem früher viele Länderspie­le ausgetrage­n worden sind, lag lange direkt an der Front. Die umliegende­n Hochhäuser weisen heute Einschussl­öcher auf. Der Rasen wurde gerade erst frisch verlegt, bis vor kurzem zeigten Satelliten­bilder und Internetvi­deos, dass das Stadion militärisc­h genutzt wurde.

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FOTO:AFP Spieler der syrischen Nationalma­nnschaft beim Abschlusst­raining vor dem Play-off-Spiel gegen Australien.

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