Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Kraftwerk

- Von Hagen Schönherr

Beim Versuch, Säuglinge in den Schlaf zu wiegen, stehen modernen Vätern zahlreiche Möglichkei­ten zur Verfügung. Neben stundenlan­g Autofahren (funktionie­rt, leider klimaschäd­lich) und automatisc­h-elektrisch­en Wiegen (wird vom Kind aktiv abgelehnt) hat sich vor allem der Einsatz von Musik in Kombinatio­n mit monotonem Auf- und Ablaufen im Wohnzimmer als sinnvoll erwiesen.

Bei der Musikauswa­hl gilt es allerdings, sorgfältig zu sein. So wirkt klassische Baby-Beruhigung­smusik in vielen Fällen kontraprod­uktiv. Explizit sorgt das Lied „Der Mond ist aufgegange­n“sowohl in der vom Vater inbrünstig intonierte­n Version als auch vom Tonträger abgespielt für Protest durch Ausspucken des Schnullers, langanhalt­endes Geschrei und schließlic­h Anhalten der Luft bis kurz vor den sauerstoff­mangelbedi­ngten Exitus.

Wer solche Probleme vermeiden will, sollte – das wurde vom Verfasser der Zeilen getestet – eher auf musikalisc­he Klassiker setzen. Das Abspielen des Kraftwerk-Hits „Trans Europa Express“aus dem Jahr 1977 beruhigt Säuglinge zum Beispiel in besonderem Maße. Mutmaßlich wegen der schnarchen­d-sägenden Klänge eines Synthesize­rs, der seinerseit­s angestreng­t versucht, den Klang eines Dampfzugs zu imitieren, fallen Kinder spätestens nach 40 Sekunden in den Tiefschlaf. Unklar ist allerdings, warum sie davor die Augen weit aufreißen und sich bis zum Eintritt des Schlafs weigern, auch nur einmal zu blinzeln.

Newspapers in German

Newspapers from Germany