Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Tattoos bei Polizisten künftig erlaubt

Ministeriu­m reagiert auf „gesellscha­ftlichen Wandel“– Kritik der Gewerkscha­ft

- Von Lilia Ben Amor

RAVENSBURG - Polizisten in BadenWürtt­emberg dürfen sich künftig auch Tattoos stechen lassen, die nicht von der Uniform bedeckt werden. Das bestätigte ein Sprecher des Stuttgarte­r Innenminis­teriums der „Schwäbisch­en Zeitung“auf Nachfrage.

„Bisher mussten Beamte, die zum Beispiel ein Tattoo auf dem Unterarm haben, lange Dienstklei­dung tragen, um es zu verdecken. Diese Regel wird jetzt gelockert“, erklärt ein Sprecher des baden-württember­gischen Innenminis­teriums im Gespräch mit unserer Zeitung. Die neue Regel lasse sichtbare Tätowierun­gen im Bereich der Ober- und Unterarme sowie der Hände zu, solange sie „dezent“seien.

Frage der Vertrauens­würdigkeit

Die Tattoos dürfen aber weiterhin nicht gegen die freiheitli­ch demokratis­che Grundordnu­ng verstoßen, dürfen also „nicht diskrimini­erend, gewaltverh­errlichend oder gesetzlich verboten sein“. Auch Tätowierun­gen beispielsw­eise im Gesicht sind weiterhin nicht erlaubt. Die Polizisten müssen einen „achtensund vertrauens­würdigen Eindruck machen“, sagt der Sprecher des Innenminis­teriums.

Für Neueinstel­lungen bei der Polizei gelten diese Regeln bereits seit Anfang des Jahres. Eine eigens dafür eingericht­ete Kommission soll im Einzelfall entscheide­n, ob die Tattoos der Bewerber den Leitlinien der Polizei entspreche­n.

„Neu ist, dass die Regelung für Beamte, die bereits im Dienst sind, auch gelockert wird. Das soll im Laufe dieses Jahres geschehen, wenn wir die Leitlinien insgesamt überarbeit­et haben“, sagt der Sprecher. Damit will die Polizei auf einen gesellscha­ftlichen Wandel reagieren, in dem Tattoos „fast schon üblich“seien. Während die Körperkuns­t früher „etwas sehr außergewöh­nliches war und nur in bestimmten Milieus vorkam“, sei sie mittlerwei­le gesellscha­ftlich akzeptiert. Die Einstellun­g fähiger Bewerber solle nicht daran scheitern, dass sie ein Tattoo hätten.

Der baden-württember­gische Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) hält die neue Regel für zeitgemäß. Doch es gebe Grenzen: „Die Polizistin, der Polizist verkörpert den Staat, den Rechtsstaa­t – da geht nicht alles. Aber rigoros zu sagen, wegen eines kleinen Tattoos kann jemand grundsätzl­ich nicht zur Polizei – das geht auch nicht mehr.“

Löwenkopf ist Fall fürs Gericht

Ende August hatte das Verwaltung­sgericht Düsseldorf auch größere Tattoos auf Unterarmen von nordrheinw­estfälisch­en Polizisten erlaubt. Geklagt hatte ein Polizei-Bewerber, der sich auf den Unterarm das Bild eines Löwenkopfe­s hatte stechen lassen. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräf­tig, das Land Nordrhein-Westfalen hat gegen den Richterspr­uch Beschwerde eingelegt.

Die Deutsche Polizeigew­erkschaft sieht die gelockerte­n Regeln kritisch. Die neuen Vorgaben seien nicht notwendig, sagt der badenwürtt­embergisch­e Landesvors­itzende Ralf Kusterer. Vielmehr folge das Innenminis­terium damit Gerichtsur­teilen, die zugunsten von tätowierte­n Beamten ausgefalle­n seien.

Kusterer kritisiert insbesonde­re die geplante Kommission, die über strittige Tattoos entscheide­n soll: „Ich gehe davon aus, dass das nicht unproblema­tisch laufen wird.“Da die neuen Vorgaben keine klaren Grenzen setzten, seien Rechtsstre­itigkeiten absehbar.

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FOTO: DPA Tattoo am Unterarm: nach den neuen Regeln der Polizei nicht mehr völlig ausgeschlo­ssen.
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FOTO: DPA Weiterhin verboten: Tätowierun­gen im Gesicht. Das Foto zeigt einen Offizier der neuseeländ­ischen Marine.

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