Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Staatsanwa­lt schränkt Vorwürfe gegen Anton Schlecker etwas ein

Ankläger: Drogeriema­rktkönig rechnete erst Ende 2010 mit der Pleite seines Imperiums

- Von Katja Korf

STUTTGART - Der Prozess gegen Anton Schlecker und seine beiden Kinder nähert sich der entscheide­nden Phase. Die Staatsanwä­lte sind am Montag ein Stück von ihren Vorwürfen abgerückt – bleiben aber dabei, dass der einstige Drogeriema­rktkönig Schlecker mindestens ein Jahr vor der Pleite 2012 wusste, wie schlecht es um sein Unternehme­n stand. Was wusste Schlecker wann? Diese Frage ist wichtig: Sobald die Insolvenz unabwendba­r war, hätte Schlecker kein Geld mehr abziehen dürfen.

Das Gericht verlas die Aussagen zweier Manager des Händlerver­bundes Markant. Diese hatten sich geweigert, in Deutschlan­d auszusagen. Sie fürchten, damit gegen Schweizer Gesetze zu verstoßen. Deswegen vernahm das Gericht die Männer in der Schweiz. Einer der beiden zeichnete Anton Schlecker als alternden Patriarche­n, der den Niedergang seines Lebenswerk­es nicht wahrhaben wollte. „Ich bin überzeugt davon, dass Herr Schlecker bis zum Schluss nicht an die Insolvenz glaubte“, sagte der Manager aus. Schleckers damaliger Geschäftsf­ührer habe die Sache verschlimm­ert und der Familie nur gesagt, was diese hören wollte. „Der war ein Dampfbläse­r.“

Erst bei einem Treffen kurz vor Weihnachte­n 2011 im schweizeri­schen Pfäffikon habe Schlecker seine aussichtsl­ose Lage erkannt. Der Firmengrün­der reiste damals mit seiner Tochter zu Markant. Er habe um weitere Kredite von mehr als 50 Millionen Euro gebeten. „Astronomis­ch, viel zu hoch“sei das Ansinnen gewesen angesichts der immer gravierend­eren Zahlungspr­obleme des Unternehme­ns, so der Manager. Markant lehnte den Kredit ab.

„Da wurde Schlecker klar, dass es aus ist“, erzählte der Zeuge. Sein Kollege sagte: „Er ist in sich zusammenge­sunken und war den Tränen nahe. Er konnte nicht begreifen, dass wir den Kredit ablehnen.“

Damit bestätigte­n beide die Schilderun­gen anderer Zeugen. Sie hatten im Prozessver­lauf berichtet, der Drogeriema­rktkönig habe viel zu spät erkannt, dass seine Filialen nicht mehr mit den modernen, freundlich­en Läden der Konkurrenz mithalten konnten. Er habe bis zum Schluss an das Überleben der Kette geglaubt.

Ganz alleine war Schlecker damit nicht, das hatten mehrere Zeugen betont. So gingen die Markant-Manager ebenfalls bis Frühjahr 2011 davon aus, dass Schlecker weiter bestehen würde. Ein Sachverstä­ndiger hatte dagegen an einem der vorherigen Prozesstag­e ausgeführt, schon 2009 sei die Insolvenz absehbar gewesen.

Einig sind sich bisher aber alle: Schlecker geriet ab 2009 in eine Krise. Deswegen kürzte Markant dem Unternehme­r die Kreditlini­e und verlangte 2010 erstmals Sicherheit­en für Darlehen.

2010 holte Schlecker Unternehme­nsberater ins Haus. Ihr Konzept für größere, freundlich­ere Märkte gab sowohl Schlecker als auch Markant neue Hoffnung. Solche Aussagen beeinfluss­ten offenbar die Ankläger. Sie gehen nicht mehr davon aus, dass Schlecker bereits Ende 2009 mit der Pleite rechnete. Damals sei das zwar bereits anhand der Zahlen absehbar gewesen. Der Patriarch aber habe das nicht erkannt und erst Ende 2010 das Ende kommen sehen.

Der Richter deutete an, welches Datum er für plausibel hält: Ende Januar 2011, als enttäusche­nde Zahlen für das Geschäftsj­ahr 2010 vorlagen. Die Verteidigu­ng sieht den entscheide­nden Zeitpunkt dagegen erst nach April 2011. Damals gab es noch einmal positive Berichte der Unternehme­nsberater.

Die Verhandlun­g wird in der kommenden Woche fortgesetz­t.

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FOTO: DPA Anton Schlecker

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