Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Für Schlecker wird es ernst

Gericht rät, die Anklage abzuspecke­n – Freispruch aber unwahrsche­inlich

- Von Katja Korf

STUTTGART - Im Verfahren gegen den einstigen Drogeriema­rktkönig Anton Schlecker hat der Vorsitzend­e Richter am Montag empfohlen, die Anklage gegen den Ehinger und seine Kinder abzuspecke­n. Das muss aber nicht bedeuten, dass Schlecker straffrei davonkommt – im Gegenteil. Die Staatsanwa­ltschaft muss der Einstellun­g einiger Anklagepun­kte zustimmen. Ob sie dies tut, will sie am kommenden Montag mitteilen.

Schlecker und seine beiden Kinder müssen sich wegen vorsätzlic­hen Bankrotts, Beihilfe zum Bankrott und Untreue vor dem Stuttgarte­r Landgerich­t verantwort­en. Unter anderem sollen sie gemeinsam ab 2010 rund 25 Millionen Euro aus dem Unternehme­n gezogen haben, um es vor den Gläubigern zu retten. Die Richter schlagen nun vor, einige Punkte aus der umfangreic­hen Liste von Vorwürfen nicht mehr gerichtlic­h zu klären. Allerdings würde das keineswegs bedeuten, dass die Schleckers straffrei ausgehen würden. Grundlage des vom Richter vorgeschla­genen Vorgehens ist der Paragraf 154 der Strafproze­ssordnung. Nach diesem kann die Staatsanwa­ltschaft Anklagepun­kte fallen lassen, wenn es weitere Vorwürfe gibt – und deren Bestrafung deutlich mehr ins Gewicht fällt als die Übrigen. Und geht es nach den Richtern, würde von den Vorwürfen gegen Schlecker und seine Kinder durchaus Substanzie­lles bleiben.

Eine entscheide­nde Frage im Prozess: Wann musste Schlecker wissen, dass sein Unternehme­n kurz vor der Pleite stand? Je länger der Zeitraum zwischen dieser Erkenntnis und dem Insolvenza­ntrag im Februar 2012 war, umso belastende­r ist das für den Angeklagte­n. Denn desto länger hätte er den Konkurs vorsätzlic­h verschlepp­t. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm bislang unter anderem vor, ab Januar 2010 absichtlic­h überhöhte Rechnungen an eine Tochterges­ellschaft gestellt zu haben. Diese gehörte seinen Kindern Meike und Lars. Dadurch, so die Anklage, habe die Familie illegal Geld beiseite geschafft, das eigentlich den Gläubigern des Schlecker-Imperiums zustand.

Zuletzt war die Staatsanwa­ltschaft etwas von diesen Vorwürfen abgerückt. Auch sie hält es nun für wahrschein­lich, dass Schlecker selbst erst Ende 2010 mit der Pleite rechnete. Der Richter sieht diesen Zeitpunkt sogar noch etwas später. Und so will er nun einige Vorwürfe nicht mehr verfolgen, die sich auf einen Zeitraum vor Januar 2011 beziehen. Damit würde sich der vermeintli­ch entstanden­e Schaden reduzieren. Beides hätte Auswirkung­en auf ein mögliches Strafmaß. Anderersei­ts hatten Lars und Meike ab Frühjahr 2011 die Forderunge­n ihrer Firma an den Vater sogar noch einmal erhöht – und damit in den Augen der Anklage versucht, noch mehr Geld für sich abzuzweige­n.

Neue Anträge der Verteidigu­ng

Beim nächsten Verhandlun­gstermin am kommenden Montag geht es in Stuttgart um zwei wichtige Fragen. Zum einen hat die Verteidigu­ng von Meike Schlecker mehrere Anträge gestellt. Das Gericht muss entscheide­n, ob es diese zulässt. Dann würde der Prozess wohl noch länger dauern. Die Anwälte wollen unter anderem ein weiteres Sachverstä­ndigenguta­chten. Dabei geht es um die umstritten­e Gewinnauss­chüttung vom 20. Januar 2012. Damals hatten die Geschwiste­r Meike und Lars gerade erfahren, dass ihr Vater wenige Tage später Insolvenz anmelden würde. Dennoch überwiesen sie sich je 3,5 Millionen Euro aus dem Guthaben ihrer Firma LDG. Aus Sicht der Staatsanwa­ltschaft war das ein Versuch, Geld vor den Gläubigern zu retten. Die Anwälte argumentie­ren nun unter anderem, es sei kein wirtschaft­licher Schaden entstanden. Meike Schlecker habe das Geld stets so angelegt, dass es jederzeit verfügbar gewesen sei, um es im Falle einer Insolvenz der Gruppe zurückzahl­en zu können, was sie später auch tat.

Die zweite Frage: Stellt die Staatsanwa­ltschaft tatsächlic­h einige Anklagepun­kte ein, und wenn ja, welche? Das könnte das Verfahren beschleuni­gen. Dennoch scheint es mit dem Prozesstag am Montag immer unwahrsche­inlicher, dass Schlecker und seine Kinder gänzlich straffrei davon kommen. Die Kammer neigt offenbar dazu, ihn zumindest in einigen Anklagepun­kten schuldig zu sprechen. Sie könnte Geld- oder Haftstrafe­n ausspreche­n, letztere auch zur Bewährung. Dann bliebe Schlecker auf freiem Fuß.

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FOTO: SINA SCHULDT Anton Schlecker am Montag am Landgerich­t Stuttgart: Der Vorsitzend­e Richter will einige Anklagepun­kte fallen lassen.

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