Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Die Graf-Zeppelin-Haus-Herren
GZH-Chef Matthias Klingler und Vorgänger Dietmar Philipp über die „gute Stube“der Stadt
FRIEDRICHSHAFEN - Alt-68er trifft Generation Z: Das neue Jahrbuch des Bodenseekreises, das heute vorgestellt wird (siehe Kasten), macht den Generationenwechsel zum Thema und beleuchtet in mehr als 50 Beiträgen, wie Menschen am Bodensee über alle Altersgruppen hinweg mit der Zeit gehen. Unter anderem kommen im 35. Band von „Leben am See“der frühere GZH-Chef Dietmar Philipp, der sich im Herbst 2016 nach 25 Jahren in den Ruhestand verabschiedete, und sein Nachfolger Matthias Klingler, der genauso alt ist wie das Kultur- und Kongresszentrum, zu Wort. Im Doppel-Interview mit SZRedakteurin und Jahrbuch-Autorin Tanja Poimer diskutieren die GrafZeppelin-Haus-Herren unter anderem millionenschwere Sanierungspläne. Die Schwäbische Zeitung veröffentlicht einen Auszug.
Wann ist Ihnen das GZH zum ersten Mal begegnet, Herr Klingler?
Matthias Klingler: Das Graf-Zeppelin-Haus war mir schon immer ein Begriff. Die Marke, die meine Vorgänger aufgebaut haben, strahlt über das Ortsschild ins ganze Land aus. Es war die größte Baugrube BadenWürttembergs, und das ist heute noch zu erkennen: Logistik und Wandlungsfähigkeit sind maßgebend. Neue Veranstaltungshäuser sind modern, haben häufig viel Sichtbeton und Glas. Davon heben wir uns stark ab, auch im Kulturbereich.
Dietmar Philipp unterbricht: Nicht umsonst ist das Haus, um es in seiner Substanz zu erhalten, unter Denkmalschutz gestellt worden. Schauen Sie sich mal um, das GZH sieht nach mehr als 30 Jahren nicht sonderlich abgenutzt aus.
Klingler fährt fort: Und die Verwandlungsfähigkeit ist großartig. Wir hatten zum Beispiel an einem Tag ein Musical und die Party zur Friedrichshafener Musiknacht im Haus – genauso stelle ich mir das vor.
Philipp steigt ein und lacht: Extreme Gegensätze, ein Musical und die Musiknacht an einem Abend, das finde ich gut.
Klingler: Hier ernsthafte, dort Unterhaltungskultur. Ich habe also die maximale Belegung, was aus betriebswirtschaftlicher Sicht wunderbar, aber auch vom öffentlichen Auftrag her als „gute Stube“Friedrichshafens so gewünscht ist. Dazu kommt, dass die Lage 1a mit Sternchen plus plus plus ist. Mehr geht nicht.
Apropos Musiknacht: Volle Hütte, dröhnende Bässe – hätte es das mit Ihnen auch gegeben, Herr Philipp?
Philipp mit breitem Lächeln: Ich muss mich outen, ich bin von Haus aus Rock- und Punkmusik-Liebhaber. AC/DC, Led Zeppelin und Deep Purple stehen mir ehrlich gesagt musikalisch näher, Entschuldigung, als das Stadtorchester. Ich habe versucht, Led Zeppelin an Land zu ziehen, aber die Band liegt weit außerhalb unseres Budgets. Ich hätte es genauso gemacht wie mein Nachfolger. Denn das junge Publikum ist das Publikum von morgen, und das Haus ist nicht nur für die Älteren gebaut worden, sondern für alle.
Klingler: Mir geht es darum, 360 Grad anzubieten. Da gehört Kindertheater dazu mit 800 Kids und Rambazamba, wir haben ernsthafte Kultur für das ältere Publikum im Programm, wollen aber Unterhaltung für alle bieten. Die Besucher passen sich dem Haus an. Es ist ein Unterschied, ob ich in eine Fabrikhalle gehe, da fliegt dann mal eine Bierflasche. Aber das GZH ist vornehm, elegant, klassisch, entsprechend verhalten sich die Gäste. Voraussetzung: Die Veranstaltung ist gut geplant und läuft professionell ab. Die Anforderungen sind heute ganz andere als vor 20 Jahren.
Philipp nickt: Heute geht’s nicht ohne Security.
Klingler stimmt zu: Es gibt so viele Themen, über die man sich früher nicht unterhalten musste.
Herr Klingler, Sie und das GZH sind 32 Jahre alt. Das ist für einen Chef jung, für ein Kultur- und Kongresszentrum nicht unbedingt. Ist das Haus in die Jahre gekommen?
Klingler: Ja und Nein. Nein, im Sinne von Entwicklung. Das Haus hat sich prächtig entwickelt, die Belegung wurde stetig ausgebaut. Sie müssen nur einmal rausgehen und in Deutschland nachfragen, dann hören Sie, welches Standing das Haus hat. Da hat mein Vorgänger einen guten Job gemacht, das erkenne ich neidlos an.
Philipp mit einem Augenzwinkern: Was trinkst Du?
Klingler fährt fort: Zum Ja. Das GZH ist up to date, im Bereich der Bausubstanz jedoch in die Jahre gekommen. Wenn Sie heute ein Haus bauen, bauen Sie das anders als 1985. Das fängt bei der energetischen Bilanz an. Wir könnten drei Stunden lang über Nachhaltigkeit, Ausgaben oder Umweltthemen sprechen. In dem Bereich ist es sicher so, dass wir das GZH weiterentwickeln müssen, das Haus soll schließlich in den nächsten 30 Jahren weiterflorieren.
Philipp: Es existiert seit einigen Jahren ein richtig dickes Sanierungskonzept. Wir wollten einiges anpacken, wussten aber nicht, wie sich manches entwickelt. Ich möchte jetzt gar nicht das Thema Stiftungsstreit zwischen Stadt und von Brandenstein-Zeppelin aufgreifen, doch das Thema Sanierung ist zwischendurch zum Stillstand gekommen. Geplant war, 2006 umzubauen.
15 Jahre später folgt die Umsetzung des Plans: 2021 wird das GZH ein ganzes Jahr geschlossen, um es komplett zu sanieren. Was genau hat im oder am GZH eine derart umfassende Verjüngungskur notwendig?
Philipp: Das Restaurant, im Speziellen die Küche, und wir haben nicht erst jetzt das ein oder andere Problemchen mit der Be- und Entlüftung. Im Schnitt finden 700 Veranstaltungen im Jahr und damit mindestens zwei am Tag statt. Das heißt, es gibt eine Abnutzung, sowohl technisch als auch der Bausubstanz. Ein Konzept steht. Ich will den Betrag nicht nennen, den die Umsetzung kosten wird, aber es ist ein zweistelliger Millionenbetrag.
Klingler weiß, wovon sein Vorgänger spricht: Das Gebäude hat eine Ausstellungsfläche von knapp 4000 Quadratmetern ohne Außenbereich und acht Stockwerke in Summe. Wir haben hier mehr als 1000 Türen verbaut, wenn da allein die Scharniere erneuert werden müssten.
Philipp: Eine der wichtigsten Aufgaben, die es beim Bau zu erfüllen gab, war die, dass der See dort bleibt, wo er hingehört. Die verbauten Stahlbetonwände sind aneinandergereiht elf Kilometer lang. Wenn es im dritten Stock der Tiefgarage keinen Handyempfang mehr gibt, muss sich also niemand wundern. Es existiert kein zweites Haus in der Größenordnung in Deutschland, das so nah am Wasser steht.