Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Der Spatz von Paris wird lebendig
Theater Rigiblick spielt im Kiesel – Eine Hommage an Édith Piaf
FRIEDRICHSHAFEN - Mit seiner Hommage an die „petite grande dame“Édith Piaf hat das Zürcher Theater Rigiblick die Zuschauer im randvollen Kiesel nicht nur begeistert, sondern zugleich tief berührt.
Da waren sie, die Chansons, die jeder, der den „Spatz von Paris“noch lebend erlebt hat, noch immer in sich trägt. Mancher mag sich gefragt haben, ob er es erträgt, sie von einer anderen Sängerin zu hören, doch das Zürcher Theater hat bewiesen, wie zeitlos, wie lebendig, wie echt, ehrlich und zu Herzen gehend die Chansons heute noch sind, wenn eine Sängerin sie verinnerlicht hat, mit Leidenschaft und Ehrlichkeit herangeht und die verletzliche Seite ebenso vermittelt wie den Liebes- und Lebenshunger. Spannend war es, dass hier gleich zwei sehr unterschiedliche Sängerinnen in diese Welt eintauchten, die auf ihre je eigene Art suggestiv und berührend, in sich gekehrt oder wild und ausgelassen waren: die in Basel geborene Sylphe alias Sylvia Heckendorn, die zunächst Anglistik und Romanistik studiert und an Gymnasien unterrichtet hat, ehe sie am Schweizer Opernstudio Biel das Operndiplom erhielt, und die in der Schweiz geborene Licia Chery mit haitianischen Wurzeln, die es schon als Kind zum Gesang zog und die mit sechs Jahren ein Konservatorium besuchte. Abwechselnd ließen sie die großen Chansons wie „L’accordéoniste“, „La vie en rose“oder „Non, je ne regrette rien“vorüberziehen, aber auch weniger bekannte wie „Il pleut“oder „J’ai dansé avec l’amour“. Dieses Chanson sangen Sylphe und Licia Chery nach einem gemeinsamen „Padam, padam“zuletzt als Zugabe zusammen mit Alexandre Pelichet – vergnüglich, wie die zwei Frauen wie zwei liebestolle Katzen den Mann für sich beanspruchten.
Höhen und Tiefen
Zu dritt hatten die Sängerinnen und der Schauspieler Pelichet die Chansons eingebettet in den Text von Anna Justice, die auch für das sehr stimmige Konzept und die lebendige Regie verantwortlich war. Lesend ließen sie Höhen und Tiefen im Leben der Piaf Revue passieren: die Kindheit im Bordell, die Entdeckung der Straßensängerin, die besondere Bühnenpräsenz, die sie zur Ikone werden ließ, ihre Förderung junger Sänger wie Charles Aznavour oder Yves Montand. Immer war damit eine kurze leidenschaftliche Liebschaft verbunden, doch die in allen Liedern beschworene Liebe hat sie nur einmal beim verheirateten Boxer Marcel Cerdan gefunden, dessen Flugzeug auf dem Weg zu ihr abstürzte.
Alkohol, Drogen, Morphiumsucht haben sie ruiniert, mit 47 Jahren ist sie 1963 gestorben, doch ihre Lieder leben weiter. Erst recht, wenn sie so präsent, so ehrlich, so tief empfunden herüberkommen wie hier unter der musikalischen Leitung von Felix Raffel, der die Chansons arrangierte und am Klavier begleitete, zusammen mit Felix Haller am Akkordeon und Florian Amicans am Cello – ein Trio, dem man auch ohne Gesang einen Abend lang zuhören möchte.