Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ex-Geschäftsf­ührer streitet Vorwürfe ab

Amtsgerich­t verhandelt Anklage wegen Insolvenzv­erschleppu­ng, Bankrott und Betrug

- Von Gunnar M. Flotow

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Pleite eines Häfler Wohnbauunt­ernehmens im Frühjahr 2014 wird nun auch strafrecht­lich aufgearbei­tet: Seit Dienstag muss sich der ehemalige Geschäftsf­ührer vor dem Amtsgerich­t Tettnang wegen Insolvenzv­erschleppu­ng, Bankrott und Betrug verantwort­en.

Wann war das Unternehme­n zahlungsun­fähig? Und wann war sich der ehemalige Geschäftsf­ührer im Klaren über die prekäre Lage? Um diese beiden zentralen Fragen dreht sich eine Verhandlun­g, die am Dienstag vor dem Amtsgerich­t in Tettnang begann. Wenn es nach der Staatsanwa­ltschaft geht, war die Häfler Wohnbaufir­ma schon zum 30. November 2013 zahlungsun­fähig. Erst am 28. Februar 2014 jedoch wurde der Insolvenza­ntrag gestellt. Bis zu seinem krankheits­bedingten Ausscheide­n am 5. Februar 2014 soll der ehemalige Geschäftsf­ührer, ein 53jähriger Bauingenie­ur, weiterhin Handwerker und Dienstleis­ter mit Arbeiten beauftragt haben – wohlwissen­d, dass sie auf ihren Rechnungen sitzen bleiben werden. Neben den Vorwürfen Insolvenzv­erschleppu­ng und Bankrott listete Staatsanwa­lt Peter Wizemann deshalb in seiner gut 20-minütigen Eröffnungs­rede auch 65 mutmaßlich­e Betrugsfäl­le auf.

Zum Sachverhal­t wollte der Angeklagte keine ausführlic­hen Angaben machen. „Schon allein, um seinen Versicheru­ngsschutz nicht zu gefährden“, erklärte sein Verteidige­r Jan van Bruggen. Um die Vorwürfe zu erörtern, hangelte sich Amtsrichte­rin Kathrin Lauchstädt an einem Schriftsat­z entlang, den der ehemalige Geschäftsf­ührer Ende 2016 im Zivilverfa­hren vor dem Landgerich­t Konstanz eingereich­t hatte. Angestreng­t hatte dieses Verfahren übrigens der Insolvenzv­erwalter. In dem damaligen Schreiben an das Landgerich­t erklärt der 53-Jährige, dass er seine Geschäftsf­ührertätig­keit am 31. Januar 2014 aufgegeben hatte und ab 5. Februar 2014 krankgesch­rieben war. Er lässt auch wissen, dass sein Steuerbera­ter die Zahlungsfä­higkeit des Unternehme­ns auf den 23. Februar 2014 datiert hatte – und damit auf einen Zeitpunkt, als er nicht mehr Geschäftsf­ührer war. Zudem sollen einige der unbezahlte­n Arbeiten nicht von ihm, sondern von untergeord­neten Bauleitern in Auftrag gegeben worden sein.

Ein Sachbearbe­iter, der beim Insolvenzv­erwalter Pluta für den Fall des Häfler Wohnbauunt­ernehmens zuständig ist, sagte am Dienstag als Zeuge aus. Er erklärte, dass es durchaus Indizien dafür gibt, dass die Zahlungsun­fähigkeit schon zum 30. November 2013 vorgelegen habe. Recherchen in der Belegschaf­t hatten ergeben, dass sich zu diesem Zeitpunkt schon „Rechnungen gestapelt haben“und es „vermehrt Anrufe von empörten Handwerker­n“gegeben habe. Die Auswertung der Buchhaltun­g sowie die Prüfung von Rechnungen brachten als Ergebnis, dass die Verbindlic­hkeiten von 167 000 Euro die liquiden Mittel von 104 000 Euro deutlich überstiege­n. Zum 31. Dezember 2013 lag die Lücke bereits bei rund 120 000 Euro. Auf die Frage des Staatsanwa­lts, ob der Geschäftsf­ührer die Zahlungsun­fähigkeit erkannt hatte, antwortete der Zeuge, dass es dafür keine Beweise gebe.

Warum das Wohnbauunt­ernehmen überhaupt pleite ging? „Die Projekte waren zum Großteil nicht tragend“, betonte der Mitarbeite­r des Insolvenzv­erwalters. „Die Verluste haben schließlic­h die Substanz aufgefress­en.“

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