Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Poesie ist Widerstand“

Konstantin Wecker gastiert am 26. Oktober im GZH und fühlt sich Rüstungsge­gnern am See sehr verbunden

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Interview mit dem Liedermach­er Konstantin Wecker, der im GZH gastiert.

FRIEDRICHS­HAFEN - „Poesie und Widerstand“heißt die Tournee, die den Dichter und Liedermach­er Konstantin Wecker und seine Band am Donnerstag, 26. Oktober, ins GrafZeppel­in-Haus führt. Los geht’s um 20 Uhr, es gibt noch ein paar Karten. Was die Besucher erwartet und welche Beziehung Wecker zum Bodensee pflegt, hat Martin Hennings vorab bei einem Telefonint­erview erfahren.

Ihre aktuelle Platte und auch die Tour, die Sie nach Friedrichs­hafen führt, heißen „Widerstand und Poesie“. Sind das die beiden Pole Ihres Lebens oder zumindest Ihres künstleris­chen Schaffens?

Zuerst dachte ich schon, dass das Pole sind. Mittlerwei­le bin ich mir immer sicherer: Widerstand und Poesie - das ist eine Einheit. Oder anders ausgedrück­t: Poesie ist Widerstand. Das ist ein klarer Gegenpol zu den mittlerwei­le allgegenwä­rtigen Parolen. Denn der, der eine Parole ausspricht, hat sie auch zu Ende gedacht und will sie genau so haben. Die Poesie aber überlässt dem Leser oder dem Zuhörer die Interpreta­tion. So kommt es vor, dass mir ein Gedicht, das ich nach 30 Jahren wieder lese, heute etwas ganz anderes sagt als vor drei Jahrzehnte­n. Selbst unter einem kleinen Wort wie „Tisch“stellt sich jeder ein bisschen was anders vor. Was ist dann erst mit so großen Worten wie „Gott“oder „Freiheit“?

Diese Möglichkei­t, ein Gedicht nach Jahren neu zu entdecken, haben Sie als Leser anderer Dichter. Oder liest der heutige Wecker auch den Wecker der 80er- oder 90erJahre mit anderen Augen?

Das geht durchaus auch mit eigenen Werken. Ich bin immer völlig überrascht, was ich als 25-Jähriger geschriebe­n habe. Damals war ich nicht annähernd so klug wie die Texte jener Zeit.

Sind Ihre Texte heute auch noch klüger als Sie selbst?

Ich hoffe das zumindest.

Sie sind im Sommer 70 Jahre alt geworden. Welche Bedeutung hat so eine Zahl, so ein runder Geburtstag für Sie?

Ich habe neulich ein Video mit Gregor Gysi gesehen. Da war er 69 und hat sich über sein Alter ziemlich aufgeregt und sich gewünscht, die Zeit anzuhalten. So sehr ich den Gysi mag, an der Stelle hat er unrecht: Es ist sehr angenehm, 70 zu sein.

Was erwartet denn die Besucher Ihres Konzerts im Graf-ZeppelinHa­us?

Zunächst mal wunderbare Musiker, die sehr vielseitig sind und jeden Abend mit Freude loslegen. Natürlich gehen wir da schon ein bisschen durch die vergangene­n 50 Jahre, viele der alten Lieder sind aber auch noch oder wieder sehr aktuell. Wir gestalten sie musikalisc­h natürlich neu, sonst würde das keinen Spaß machen.

Ist so eine Tournee lästige Pflicht oder große Erfüllung? Jeden Tag in einem anderen Hotelbett liegen, das muss man mögen.

Ja, das muss man mögen. Ich mag das, sonst hätte ich mir auch den falschen Beruf ausgesucht. Nervig sind die vielen Autofahrte­n. Durch die Dobrindtis­ierung der Autobahnen haben wir ja ständig und überall Baustellen, auf denen aber komischerw­eise nie gearbeitet wird. Ich habe seit vielen Jahren einen guten Freund, der mich fährt. So haben wir es im Auto wenigstens spaßig. Das ist übrigens der „Willy“aus dem bekannten Lied, den sie in echt Gott sei Dank nicht erschlagen haben.

Über Wochen fast jeden Abend auf der Bühne, das schlaucht aber, oder? Würden Sie da nicht manchmal lieber drei Stunden vor der Glotze hängen?

Also drei Stunden vor dem Fernseher finde ich meistens anstrengen­der. Nein, ein Konzert geben ist nicht anstrengen­d. Ich bekomme dort so viel Kraft und Energie, das ist atemberaub­end. Natürlich hat man nicht jeden Abend gleich viel Lust. Aber sobald ich den ersten Ton anschlage, ist das wie weggeblase­n.

Haben Sie eigentlich irgendwelc­he Bindungen zum Bodensee oder nach Friedrichs­hafen?

Eine Beziehung ist Hermann Hesse, den ich sehr verehre und dessen Haus ich natürlich schon besucht habe. Und dann habe ich einen durchaus engen Bezug zu Menschen, die sich gegen die vielen Waffenlief­eranten auflehnen, die am Bodensee sitzen. Es ist schon erstaunlic­h, dass sich diese Firmen so vehement in einer so schönen Gegend festsetzen. Es sind sehr standhafte und wackere Menschen, die sich denen am Bodensee entgegenst­ellen und die ich immer wieder mit Konzerten und Auftritten bei Demos unterstütz­t habe.

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FOTO: THOMAS KARSTEN
 ?? FOTO: THOMAS KARSTEN ?? „Natürlich hat man nicht jeden Abend gleich viel Lust. Aber sobald ich den ersten Ton anschlage, ist das wie weggeblase­n“: Konstantin Wecker über die Freude an seinen Konzerten.
FOTO: THOMAS KARSTEN „Natürlich hat man nicht jeden Abend gleich viel Lust. Aber sobald ich den ersten Ton anschlage, ist das wie weggeblase­n“: Konstantin Wecker über die Freude an seinen Konzerten.

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