Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Konstantin Wecker begeistert ein rappelvolles GZH
Münchner Dichter und Sänger präsentiert Lieder aus vier Jahrzehnten und stellt sich klar gegen Rechts
FRIEDRICHSHAFEN - Von wegen altes Eisen: Über drei Stunden lang hat der 70-jährige Konstantin Wecker am Donnerstagabend ein rappelvolles Graf-Zeppelin-Haus bewegt, berührt, begeistert. Dabei waren die Themen des Münchner Liedermachers so vielfältig wie die Musik seiner großartigen Band: die eigene Familie, die große Politik, kleine Unzulänglichkeiten und – natürlich – die Liebe.
Weiser sei er geworden, sagt Wecker mit Blick auf seinen 70. Geburtstag vergangenen Sommer. Und angesichts seines früheren Lebenswandels auch froh, überhaupt so alt geworden zu sein. Ruhiger ist er aber nicht und auch nicht milder, wenn es darum geht, Unrecht anzuprangern und politisch Stellung zu beziehen. Und so beginnt der Abend mit „Sage Nein“, der klaren Absage an alles, was von Rechts kommt. „Nach der Wahl kann man nicht mehr sagen, die Deutschen hätten aus ihrer Geschichte gelernt“, sagt der Sänger mit Blick auf den Einzug der AfD in den Bundestag. Auch die Rüstungsproduzenten am See bekommen ihr Fett ab. Das Geld, das Deutschland in Waffen stecke, fehle für Bildung, Betreuung und ordentliche Bezahlung der Pflegekräfte.
Wecker erzählt von der antifaschistischen Prägung, die er durch seine Eltern bekommen habe. Sein Lied über die „Weiße Rose“erscheint vor dem Hintergrund noch eindringlicher. Überhaupt sein Vater. Der taucht auch jenseits der Politik immer wieder auf, als Vorbild, als Inspiration, als Wegbereiter. Einer der intimsten Momente des Abends ist das Lied „Niemals Applaus“, eine Liebeserklärung an den Vater, musikalisch unterlegt mit Puccinis „Nessun dorma“. An der Stelle gesteht Wecker: „Ich bin Puccinist.“Das sei aber auch der einzige Ismus, der für ihn Bedeutung habe.
Wecker erzählt locker vom Älterwerden, vom gelassener Sein, davon, dass viele Gockeleien nun entfielen, „aber nicht alle“. Er erinnert sich an seine Sturm-und-Drang-Zeit, sein gelegentlich „saudummes Rollenspiel als Möchtegern-Macho“. Und er singt immer wieder von der Liebe in all ihren Farben und Formen. Bei „Weil ich Dich liebe“singt das Publikum, das aufmerksam, aber vor allem zu Beginn ein bisschen zurückhaltend ist, erstmals lauthals mit. Das Programm lehnt sich ans aktuelle Album „Poesie und Widerstand“an, mit Liedern aus vier Jahrzehnten. sagt Konstantin Wecker mit Blick auf den Einzug der AfD in den Bundestag.
Natürlich steht Konstantin Wecker im Zentrum des Abends, nur einmal tritt er ab, für einen Gastauftritt der Allgäuer „Vivid Curls“. Seine Band ist aber weit mehr als schlichte Begleitung des Pianisten und Sängers. Ganz am Anfang muss zwar ein Techniker noch mit dem Ton kämpfen, doch dann lassen die Sechs auf der Bühne hören, was sie können. Prägend die Töne, die die Cellistin Fany Kammerlander ihrem Cello entlockt. Eher unwahrscheinlich, dass der Gitarrist Severin Trogbacher tatsächlich eine Wiedergeburt von Jimmy Hendrix ist, wie Wecker behauptet. Immer wieder klingt es aber schon danach. Toll auch der Geiger Markus Wall und der Schlagzeuger Wolfgang Gleixner. Als Kapellmeister hält der Pianist Jo Barnikel die Truppe zusammen. Seit Jahrzehnten arbeitet er mit dem bayerischen Liedermacher, der ihn seinen „musikalischen Lebensgefährten“nennt. Was er damit meint, hört und sieht das Publikum am Ende des Konzerts, als die beiden am Klavier den Wecker-Klassiker „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“unter anderem mit Mozart, Tschaikowsky, einem Sirtaki, Kalinka, dem Ententanz und Richard Clayderman bereichern.
Als Liedermacher ist Wecker bekannt geworden, sagt aber selbst, dass er die Musik vor allem deswegen schreibt, damit die Menschen seinen Gedichten lauschen. Im GZH sitzt er auch immer wieder an einem kleinen Tisch und liest vor, nicht aus Eitelkeit, wie er betont, sondern um „durchzuschnaufen“. Und ganz zum Schluss, halb zwölf ist schon vorbei, nachdem er seine Fans aufgefordert hat, sich „Inwändig warm“zu halten, gesteht er, dass es für ihn die größte Ehre sei, ein Publikum zu haben, das über drei Stunden lang seinen Gedichten zuhört.
„Nach der Wahl kann man nicht mehr sagen, die Deutschen hätten aus ihrer Geschichte gelernt“,