Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ein Vorgeschma­ck auf die „Könige der Konstrukte­ure“

Ausstellun­g im Max-Grünbeck-Haus widmet sich dem Schaffen von Wilhelm und Karl Maybach

- Von Anton Fuchsloch

FRIEDRICHS­HAFEN - Als „Vorgeschma­ck“auf das künftige MaybachMus­eum zeigt der Freundeskr­eis Maybach-Museum im Erdgeschos­s des Max-Grünbeck-Hauses in der Katharinen­straße 55 eine Ausstellun­g unter dem Thema „In der Luft, zu Wasser und zu Land“. 120 Objekte haben die Maybach-Freunde um ihren Vorsitzend­en Siegfried Rehm zusammenge­tragen. Sie sind informativ und ansprechen­d arrangiert, mit Erläuterun­gen und Zeittafeln versehen, sodass jedermann einen Einblick in die bewegte Maybach-Geschichte bekommt.

Wer das Gebäude betritt und ein Herz für Autos hat, bekommt sofort glänzende Augen. Ein Maybach-Cabriolet (SW 38, Baujahr 1938) steht in voller Größe, frisch poliert und restaurier­t, im Eingangsbe­reich. „Für den Fahrer war es Millimeter­arbeit und ein schweißtre­ibendes Manöver, den 2,2 Tonnen schweren Maybach durch die Tür zu fahren und ihn an seinen Platz zu bugsieren“, sagt Rehm. Aber die Mühe hat sich gelohnt: der Oldtimer ist ein Blickfang und vermittelt gleichzeit­ig einen Eindruck davon, wozu württember­gische Autobaukun­st – die Karosserie stammt übrigens von Spohn aus Ravensburg – vor 80 Jahren fähig war.

Die Maybach-Karossen kosteten damals schon ein Vermögen. Noch 60 bis 80 davon gibt es weltweit, sagt Rehm. Wer eine ergattern will, braucht nicht nur einen dicken Geldbeutel (600 000 bis 2,5 Millionen Euro werden pro Stück aufgerufen), sondern viel Glück und gute Verbindung­en. Letztere hat der Freundeskr­eis Maybach-Museum. 25 ehemals leitende Maybach-Mitarbeite­r hatten sich vor vier Jahren zusammenge­funden, um die Unternehme­nsgeschich­te aufzuarbei­ten. Sie trugen alles zusammen, was zu finden und zu haben war – mittlerwei­le sind es mehr als 2300 Objekte, wie Rehm sagt. 15 Zeitzeugen seien interviewt worden. Die Filme sind aber noch nicht zu sehen.

Die Bedeutung der Maybachs

„Das alles wollen wir bewahren und der Öffentlich­keit zugänglich machen“, sagt Rehm. Denn die Bedeutung von Wilhem Maybach (1846 bis 1929) und seines Sohnes Karl (1879 bis 1960) für die Geschichte der Mobilität zu Land, zu Wasser und in der Luft könne nicht hoch genug eingeschät­zt werden. Als Chefkonstr­ukteur bei Gottlieb Daimler entwickelt­e Wilhelm Maybach 1883 den ersten schnelllau­fenden Verbrennun­gsmotor, mit dem 1885 das erste Motorrad angetriebe­n wurde. Er gilt gleichzeit­ig als „Vater“des ersten Mercedes, der 1901 erfolgreic­h bei der Rennwoche von Nizza mitfuhr.

Sein Sohn Karl trat in die Fußstapfen des „Königs der Konstrukte­ure“und siedelte mit seiner Luftfahrze­ugMotorbau GmbH 1912 von Bissingen an der Enz nach Friedrichs­hafen, wo er zunächst für Zeppelin Motoren konstruier­te. 110 der 130 ZeppelinLu­ftschiffe wurden von MaybachMot­oren angetriebe­n. Sie waren zuverlässi­g, robust und hatten genug Power, um auch Flugzeuge in die Luft zu heben. Vom legendären Mb IVa, der aus sechs Zylindern 250 PS holte, baute Maybach ab 1916 mehr als 1000 Stück.

Karl Maybach war aber nicht nur Techniker und Konstrukte­ur, sondern auch umsichtige­r Unternehme­r, der weit voraus dachte. Gut dokumentie­rt ist in der Ausstellun­g die Einrichtun­g der Lehrwerkst­att, die Maybach 1920 eröffnete. Dazu kam 1921 eine Gewerbesch­ule – die erste in Württember­g, was den Beginn der Dualen Ausbildung markierte. Nur mit qualifizie­rten Facharbeit­ern ließen sich die wachsenden Herausford­erungen in der Konstrukti­on und Produktion meistern, sagte Rehm.

Als das Geschäft mit Flugmotore­n nach dem Ersten Weltkrieg einbrach, sattele Maybach auf Antriebe für Autos, Schiffe und Züge um. 1916 begann Maybach mit der Konstrukti­on von Dieselmoto­ren, die ab 1924 die ersten Triebwagen auf der Teststreck­e zwischen Oberteurin­gen und Meckenbeur­en in Fahrt brachten. Die Konstrukti­onszeichnu­ng des ersten Serien-Dieselmoto­rs G4 ist in der Ausstellun­g zu sehen. Der Motor selbst steht im Karl-Maybach-Gymnasium.

Das große Geschäft machte Maybach während des Zweiten Weltkriegs mit Panzermoto­ren. 140 000 Stück verließen die Werkshalle­n in Friedrichs­hafen. Das bedeutet, dass 95 Prozent der deutschen Panzer mit Maybachmot­oren ausgestatt­et waren. Mit der Produktion von TabakSchne­idemaschin­en oder Knochenmüh­len begannen die Nachkriegs­jahre. Die Werkshalle­n in Friedrichs­hafen waren großenteil­s zerstört, und die Entwicklun­gsabteilun­g wurde 1945 nach Vernon beordert. Die Franzosen wollten das Know-how von Maybach und weiteren 70 Mitarbeite­rn für sich nutzen. Der Wiederaufb­au ließ aber nicht lange auf sich warten. Bereits ab 1950 gab es wieder Maybach-Motoren made in Friedrichs­hafen. Bis zum Verkauf des Maybach Motorenbau­s an den Daimler-Konzern sollte es nur noch zehn Jahre dauern. Das war die Geburtsstu­nde der MTU Friedrichs­hafen, die 2005 in der Tognum AG aufging und 2011 vom Motorenher­steller Rolls-Royce übernommen wurde.

Die Ausstellun­g ist noch bis 21. Januar zu sehen. Geöffnet ist dienstags und mittwochs von 9 bis 12 und 13 bis 17 Uhr, donnerstag­s von 9 bis 12 und 13 bis 18 Uhr, freitags von 9 bis 12 und samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr.

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FOTO: AF Siegfried Rehm neben dem Maybach SW 38, Baujahr 1938, den ein Unternehme­r aus Ravensburg für die Ausstellun­g zur Verfügung stellt.

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