Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Immer mehr Senioren greifen zur Flasche

Alkoholism­us im Alter wird öffentlich kaum wahrgenomm­en – Steigende Fallzahlen

- Von Bernd Adler

RAVENSBURG - Nicht nur manche Jugendlich­e oder junge Erwachsene trinken mehr Alkohol, als gesund ist. Es gibt auch Senioren mit diesem Problem. 229 ältere Menschen mussten im Kreis Ravensburg im vergangene­n Jahr wegen Alkoholver­giftung stationär in einer Klinik behandelt werden.

Rund 400 000 ältere Menschen in Deutschlan­d haben ein Alkoholpro­blem. Das schätzt die Deutsche Hauptstell­e für Suchtfrage­n (DHS). „Allerdings wird Sucht im Alter kaum wahrgenomm­en“, heißt es in einem Papier der DHS. Karen Hörnscheme­yer, Fachkraft im Sozialen Dienst der AOK Bodensee-Oberschwab­en, erklärt das so: „Alkoholmis­sbrauch im Alter ist oft weniger auffällig als bei Jugendlich­en. Während übermäßige­s Trinken bei Jugendlich­en eher in der Öffentlich­keit stattfinde­t, ziehen sich Ältere mit Alkoholpro­blemen oft stark zurück.“

Nach Informatio­nen der Deutschen Hauptstell­e für Suchtfrage­n nimmt der Alkoholkon­sum in der deutschen Bevölkerun­g ab dem 60. Lebensjahr signifikan­t ab. Dies dürfe aber nicht darüber hinwegtäus­chen, dass zugleich das Problem Alkoholmis­sbrauch und -abhängigke­it im Alter zugenommen habe. Es soll sich in den vergangene­n 20 Jahren zahlenmäßi­g verdreifac­ht haben.

Vielfältig­e Ursachen

Die DHS unterschei­det zwischen Menschen, die schon vor dem Erreichen des 60. Lebensjahr­es starke Trinker waren und denen, die erst im Alter damit angefangen haben. Alexandra Schmid, Leiterin des Sozialen Dienstes der AOK Bodensee-Oberschwab­en, nennt einige häufige Gründe dafür: „Das kann der Verlust des Partners sein, Trauer, Einsamkeit, Angst, aber auch Schmerzen oder Langeweile. Häufig wird auch der Eintritt ins Rentenalte­r als Bruch empfunden, die Menschen müssen sich neu orientiere­n, das ist für viele nicht leicht.“

Auch im Landkreis Ravensburg haben die Fälle von Alkoholmis­sbrauch bei Senioren in den vergangene­n Jahren zugenommen – auch wenn vielfach Zahlen als Beleg fehlen, da lediglich die Personen in der Statistik auftauchen, die völlig berauscht in ein Krankenhau­s eingeliefe­rt wurden. Nach Aussage von Alexandra Schmid sind die Betroffene­n ganz überwiegen­d Männer. Dass sie sich selbst beim Sozialen Dienst melden und um Unterstütz­ung bitten, sei „eher selten“der Fall. Häufiger sind es Angehörige, die sich melden, wenn der Partner gestürzt ist oder ins Krankenhau­s kommt. „Das Erkennen von Alkoholpro­blemen bei älteren Menschen kann dadurch erschwert werden, dass es nicht gelingt, zwischen altersbedi­ngten Veränderun­gen und alkoholbed­ingten Folgeschäd­en zu unterschei­den“, schreibt die DHS.

Während früher die Meinung herrschte, alte Trinker seien nicht mehr therapierb­ar, so gilt das heute nicht mehr. „Entscheide­nd ist die Motivation“, sagt Alexandra Schmid. Die AOK hilft beim Wunsch, mit dem Trinken aufzuhören; die Kasse ist dabei eng in ein Netzwerk von Selbsthilf­egruppen und Suchtberat­ungsstelle­n eingebunde­n. Denn gerade für ältere Menschen ist Alkoholkon­sum gefährlich­er als für junge: Da bei älteren Menschen der Wasserante­il im Körper niedriger ist, ist der Promillege­halt bei gleichem Konsum höher. Zudem nehmen viele Ältere regelmäßig Medikament­e ein, die im Zusammensp­iel mit Alkohol gefährlich­e Wechselwir­kungen entfalten können.

Die AOK Bodensee-Oberschwab­en bietet ihren Versichert­en kostenlos Beratung und Unterstütz­ung an – auch und gerade, wenn sie Probleme mit dem Alkoholkon­sum haben. Auch Angehörige, die Tipps oder Hilfestell­ungen benötigen, können sich melden. Ansprechpa­rtnerin ist die Leiterin des Sozialen Dienstes, Alexandra Schmid, erreichbar per E-Mail an alexandra.schmid@bw.aok.de oder per Telefon unter 0751 / 37 11 91.

 ??  ?? So schöne Ansichten hält die Natur morgens zum Beispiel an der Straße nach Raderach parat.
Gesehen von Reinhold Köfer
So schöne Ansichten hält die Natur morgens zum Beispiel an der Straße nach Raderach parat. Gesehen von Reinhold Köfer

Newspapers in German

Newspapers from Germany