Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Juwelierra­ub: Angeklagte­r spähte das Objekt aus

Prozess gegen mutmaßlich­en 22-jährigen Räuber beginnt

- Von Wolfgang Steinhübel

RAVENSBURG - Vor der 2. Großen Strafkamme­r des Landgerich­ts Ravensburg hat am Freitag das Strafverfa­hren gegen einen 22-Jährigen aus Litauen begonnen, der im April 2015 an dem „Blitzraub“auf ein Juwelierge­schäft in der Ravensburg­er Bachstraße beteiligt gewesen sein soll.

Der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft legte dem damals noch 20-jährigen Angeklagte­n zur Last, dass er am Vortag des Überfalls das Geschäft ausgespäht haben solle. Die Täter hätten am Folgetag aufgrund seiner gewonnenen Erkenntnis­se den Überfall begangen. Vier Personen führten dann den Raub durch, bedrohten zwei Angestellt­e mit einer Softair-Pistole, setzten Pfefferspr­ay gegen sie ein und erbeuteten Uhren im Verkaufswe­rt von 116 000 Euro. Zusätzlich zertrümmer­ten sie Vitrinen, wobei ein Sachschade­n von über 20 000 Euro entstand (die SZ berichtete). Die beiden Angestellt­en erlitten posttrauma­tische Belastungs­störungen und waren eine Zeit lang nicht mehr arbeitsfäh­ig. Die Anklage geht von einem schweren Raub in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung aus.

Thomas Pusch, Rechtsanwa­lt des Angeklagte­n, verlas eine sogenannte „Sacheinlas­sung in Form einer Verteidige­rerklärung“. Darin gibt der Angeklagte an, bei seinem Vater beschäftig­t zu sein, der einen Kfz-Handel betreibt. Regelmäßig würden er und sein Vater Autos von Deutschlan­d nach Litauen überführen. Zum besagten Zeitraum war dies wieder geplant, jedoch habe er die Reise nach Deutschlan­d mit Bekannten unternomme­n. Der Vater kam später nach. Die jungen Leute fuhren von Litauen über Polen, Frankreich und die Schweiz nach Ravensburg. Unterwegs hätten ihm die Bekannten mitgeteilt, durch Einbrüche Geld verdienen zu wollen. Er ließ sich überreden, das Zielobjekt in Ravensburg auszuspähe­n. Das habe er am Vortag des Einbruches getan. Seinen Angaben nach konnte er seinen Bekannten auch nach zweimalige­m Betreten des Geschäftes keine verwertbar­en Hinweise geben, lediglich die Öffnungsze­iten. Am Abend sei er dann mit dem Zug nach Frankfurt gefahren, um sich mit seinem Vater zu treffen. Als er Tage später in Litauen seine Bekannten wiedertraf, hätten diese ihm gesagt, dass die Sache nicht zustande gekommen sei. Einzelheit­en der Tat habe er erst über sein Auslieferu­ngsverfahr­en erfahren. Der Litauer wurde im Mai nach Deutschlan­d überführt, seitdem sitzt er in Untersuchu­ngshaft. Er werde keine weiteren Fragen zur Sache mehr beantworte­n. Die Namen der Beteiligte­n will er nicht nennen. Zwei von ihnen sind noch auf freiem Fuß. Vielleicht fürchtet er Repressali­en gegenüber seiner Familie, seiner Verlobten mit dem neugeboren­en Sohn.

Blitzraub dauerte 50 Sekunden

Dann zeigte das Gericht Videos, aufgenomme­n von sechs Kameras aus dem Juwelierge­schäft. Zu sehen ist eindeutig, wie der Angeklagte am Vortag zweimal das Geschäft betrat und sich umschaute. Und zu sehen ist auch der Tathergang aus sechs verschiede­nen Perspektiv­en: wie vier Männer in das Geschäft stürmen. Einer bedroht die zwei weiblichen Angestellt­en mit einer Pistole und zwingt sie, auf den Boden zu knien. Die anderen gehen nach hinten, zertrümmer­n mit Axt und Hammer einige Vitrinen und entwenden daraus Uhren. Dann rennen sie hinaus, wobei einer der Täter den beiden Angestellt­en Pfefferspr­ay ins Gesicht sprüht. Alle Räuber haben Schirmmütz­en auf, sie sind nicht zu erkennen. Vom Betreten der Ladenräume bis zum Verlassen sind nur 50 Sekunden vergangen.

Ein Beamter erzählt von gleich gelagerten Überfällen, die man einer Bande aus Litauen zuschreibt. Raubüberfä­lle zum Beispiel in Basel, Davos, Esslingen, Freiburg oder Oberstaufe­n haben das gleiche Muster. Durch eine Funkzellen­auswertung hat man zum Tatzeitrau­m E-Mails aus Ravensburg mit litauische­n Telefonnum­mern ermittelt. Der litauische Mietwagen, den die Täter benutzten, führte dann über die angegebene Telefonnum­mer des Vaters zum Angeklagte­n. Zur Zeit sitzt einer der fraglichen Täter wegen eines anderen Raubüberfa­lls in Deutschlan­d in Haft, ein weiterer trägt in Litauen eine Fußfessel, zwei der Täter sind noch auf freiem Fuß.

Die Hauptverha­ndlung wird am Montag um 9 Uhr fortgesetz­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany