Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Druck auf Seehofer wächst

Junge Union Bayern fordert Rücktritt des CSU-Chefs

- Von Tobias Schmidt

BERLIN (AFP) - Mitten in den Sondierung­en über eine Jamaika-Koalition spitzt sich in der CSU der Streit um die Zukunft von Parteichef Horst Seehofer zu. Die bayerische Junge Union (JU) forderte am Wochenende den Rücktritt Seehofers. Bayerns Ministerpr­äsident kritisiert­e das „ununterbro­chene Trommelfeu­er“gegen ihn als „schädlich“. Seehofer steht nach dem schlechten CSU-Ergebnis bei der Bundestags­wahl unter Druck. 2018 wird in Bayern gewählt.

„Für einen Erfolg bei der Landtagswa­hl braucht es einen glaubwürdi­gen personelle­n Neuanfang“, heißt es in einer auf der Landesvers­ammlung der JU beschlosse­nen Erklärung. Die CSU hatte am 24. September nur 38,8 Prozent der Stimmen erreicht. Die Partei befürchtet nun bei der Landtagswa­hl den Verlust ihrer absoluten Mehrheit. Derzeit liegt die CSU laut einer im Auftrag der „Bild“Zeitung erstellten Insa-Umfrage sogar nur bei 37 Prozent.

BERLIN - „Keine Angst vor Neuwahlen!“FDP-Chef Christian Lindner holte das Schreckges­penst aus der Kiste, spekuliert­e offen über das Scheitern von Jamaika. Die Liberalen machen maximal Druck, um eigene Anliegen in den Sondierung­sgespräche­n mit Union und Grünen durchzuset­zen. „Wenn das nicht möglich ist, gehen wir in die Opposition. Dafür nehme ich jeden Shitstorm in Kauf“, drohte Lindner, der die Chance auf ein schwarz-gelb-grünes Regierungs­bündnis nach wie vor nur auf „50:50“beziffert.

Für die „Jamaikaner“startet heute mit einer Runde der Parteichef­s am Abend die heiße Phase der Sondierung­en. Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer, FDP-Chef Lindner und sein Vize Wolfgang Kubicki setzen sich mit den Grünen-Chefunterh­ändlern Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir zusammen. Die erste Etappe von Phase zwei: Die Identifizi­erung der Hauptknack­punkte, damit diese Schritt für Schritt abgearbeit­et werden können. Am Dienstag soll es dann mit Fachberatu­ngen weitergehe­n. Zwei Wochen bleiben noch, dann muss klar sein, ob es etwas wird mit dem ersten Bündnis von CDU/ CSU, FDP und Grünen im Bund. „Wir sind alle auf einem guten Weg“, sagte Kanzleramt­schef Peter Altmaier (CDU) am Wochenende und verbreitet­e Zweckoptim­ismus.

CSU-Chef Horst Seehofer braucht den Erfolg in den Sondierung­en für das eigene politische Überleben. „Wir müssen jetzt das Tempo erhöhen“, forderte der bayerische Ministerpr­äsident deshalb und nahm Liberale und Grüne in die Pflicht. „Die Menschen in Deutschlan­d erwarten zu Recht endlich Resultate aus den Verhandlun­gen und die Bildung einer stabilen Regierung.“

Mehr Tempo, endlich Ergebnisse – nicht alle in der CSU sind schon so weit. „Wir haben sehr, sehr unterschie­dliche Positionen. Es gibt keine Garantie, dass es am Ende für eine gemeinsame Regierung reichen wird“, sagte CSU-Vize und Bundesland­wirtschaft­sminister Christian Schmidt im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wir arbeiten hart Stück für Stück an einem ausreichen­den Vorrat an Gemeinsamk­eiten. Statt um Eile geht es um Nachhaltig­keit.“

Aber die Zeit läuft davon. In der zweiten Novemberhä­lfte soll ein gemeinsame­s Sondierung­spapier stehen, zwölf bis 15 Seiten lang. Bis dahin müssen Merkel, Seehofer und Co. Lösungen skizziert haben. Steuerentl­astungen für die Lindner-FDP, mehr Öko und Klimaschut­z für die Grünen, und die Begrenzung der Einwanderu­ng für die CSU, das sind die Leitplanke­n für die Verhandlun­gsrunden der kommenden Tage.

Das größte Konfliktpo­tenzial birgt nach wie vor die Flüchtling­spolitik. Von einem dauerhafte­n Stopp des Familienna­chzugs wollen die Grünen jedenfalls weiter nichts wissen. „Die Humanität muss gewahrt bleiben“, sagte Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter am Sonntag.

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FOTO: AFP Hat keine Angst vor Neuwahlen: FDP-Chef Christian Lindner.

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