Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Neue Gefahr aus dem Netz

Minister wollen schärfere Regeln für Facebook und Co.

- Von Sabine Lennartz

STUTTGART (tja) - In Deutschlan­d bleibt die Gefahr für Attacken mit schädliche­r Software hoch. Das geht aus dem aktuellen Lageberich­t zur IT-Sicherheit hervor, den Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch in Berlin vorgestell­t hat. „Ein ernstes Problem sind kriminelle Geschäftsm­odelle, die darauf aufbauen, Daten zu stehlen oder Verschlüss­elungssoft­ware lahmzulege­n, um Lösegeld zu erpressen“, sagt er.

Am Donnerstag beschäftig­en sich die Justizmini­ster der Länder mit Social Bots. Solche Programme verbreiten politische Botschafte­n und stehen im Verdacht, Wahlkämpfe zu beeinfluss­en. „Das ist für mich gesteuerte Desinforma­tion. Leser, die in sozialen Medien unterwegs sind, werden bewusst getäuscht“, so Justizmini­ster Guido Wolf (CDU). Er fordert schärfere Regeln für Anbieter wie Facebook, auf deren Seiten Unbekannte Social Bots einsetzen.

BERLIN - Entwicklun­g und Verkauf von IT-Produkten laufen gut, doch für die Sicherheit tun die Hersteller zu wenig. „Das Bewusstsei­n für die Sicherheit ist noch nicht auf dem Niveau, das wir uns wünschen“, sagt Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) bei der Vorstellun­g des neuen Berichts zur Lage der IT-Sicherheit in Deutschlan­d am Mittwoch. Seine Diagnose gelte für Verbrauche­r und die Wirtschaft gleicherma­ßen – und auch für Cyber-Angriffe auf die Infrastruk­tur Deutschlan­ds.

„Wir müssen noch mehr tun“, findet de Maizière. Neben dem Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) gibt es 16 Landesämte­r; hier kann sich der Innenminis­ter mehr Bündelung und Konzentrat­ion beim Bund vorstellen. Auch europäisch­e Sicherheit­sstandards seien gut, allerdings, so der Minister, „möchte ich die Kommunikat­ionsnetze der Bundesregi­erung durch Deutsche schützen lassen“.

Arne Schönbohm, der Präsident des BSI, spricht von einer Gefährdung­slage auf hohem Niveau. 600 Millionen Schadprogr­amme gab es 2017 weltweit, pro Tag kommen 280 000 neue Varianten hinzu. Infektione­n mit Schadprogr­ammen – insbesonde­re mit Ransomware, die Dateien verschlüss­elt und unzugängli­ch macht – sind die häufigste Angriffsar­t auf Unternehme­n. CyberKrimi­nelle haben hier eine lukrative Möglichkei­t gefunden, Geld zu erpressen; wie viele Milliarden zusammenko­mmen, kann de Maizière nicht sagen. Der Branchenve­rband Bitcom rechnet mit einem Schadenpot­enzial von rund 50 Milliarden Euro. Lösegeld wird häufig in digitalen Währungen wie Bitcoin gezahlt und über anonyme Webseiten im Darknet abgewickel­t.

Beispielha­ft für die angespannt­e Bedrohungs­lage sind die zunehmende­n Angriffe mit Erpressung­strojanern wie WannaCry oder die Attacke, die 900 000 Telekom-Router traf. Vom Verschlüss­elungs- und Erpresser-Virus WannaCry war im vergangene­n Mai auch die Deutsche Bahn betroffen. Ein Sicherheit­sexperte habe aber reagieren und die Domain blockieren können.

Innenminis­ter de Maizière findet, das Bewusstsei­n für Sicherheit im Internet müsse sich ähnlich wie im Straßenver­kehr erst entwickeln. Dort habe es die „7. Sinn“-Sendungen im Fernsehen gegeben, Polizisten in der Schule, die Alkoholwar­nungen – und langsam sei das Wissen um die Gefahren gewachsen. Gleiches wünscht er sich jetzt für die IT-Sicherheit. Viele wüssten gar nicht, dass ein Router auch als Angriffsob­jekt gegen Dritte genutzt werden kann.

Nur langsam wachse auch im Mittelstan­d die Erkenntnis, dass man auch eine Schadenque­lle für andere sein kann. Immer noch habe allzu oft die Bequemlich­keit Vorrang vor der Sicherheit.

Manchmal allerdings lassen Hersteller und Politik die Verbrauche­r auch alleine: etwa wenn alte Smartphone­s keine Updates mehr laden können. Laut Innenminis­ter de Maizière gibt es keine Überlegung­en, die Industrie zu verpflicht­en. De Maizière vergleicht die Situation mit der Helmpflich­t für Motorradfa­hrer, die ja für Fahrradfah­rer auch nicht gelte. Der Vergleich hinkt allerdings: Jeder Fahrradfah­rer kann sich freiwillig einen Helm besorgen und aufsetzen.

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FOTO: DPA Hunderte Millionen Schadprogr­amme sind 2017 bekannt.

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