Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Der schwierige Kampf gegen Propaganda-Roboter
Justizminister der Länder fordern Kennzeichnungspflicht für Beiträge von Social Bots im Internet
STUTTGART - Tausende „Gefällt mir“-Klicks auf eine Facebook-Nachricht, Meldungen mit eindeutigem politischen Tenor in der Timeline bei Twitter: Längst nicht alles, was in den sozialen Netzwerken auftaucht, haben menschliche Nutzer geschrieben. Programme veröffentlichen Inhalte längst automatisch. Weil solche Social Bots Wahlkämpfe und Märkte beeinflussen könnten, fordern die Justizminister der Länder neue Regeln. Einen entsprechenden Beschluss wollen sie am Donnerstag in Berlin verabschieden.
Die Debatte über die Social Bots, die Roboter in den sozialen Netzwerken, hat sich vor allem bei den letzten US-Präsidentschaftswahlen und während der Debatte vor dem Brexit, dem Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union, entzündet. Wissenschaftler stellten fest: Die Botschaften der beiden Kandidaten Hillary Clinton und Donald Trump im Kurznachrichtendienst Twitter lasen zum Beispiel nur 60 Prozent reale Nutzer – der Rest der „Follower“waren Automaten. Das klingt unbedeutend, ist es aber nicht. Denn längst gelten Reaktionen auf Nachrichten oder politische Positionen in den sozialen Netzwerken als Gradmesser für Stimmungen bei den Wählern. Bewusst eingesetzte Roboter mögen nur, was dem Willen ihrer Programmierer entspricht. So versuchen politische Strategen, Stimmungsbilder zu verzerren.
In Deutschland haben Social Bots bislang noch keine so große Bedeutung wie etwa in den USA. Allerdings kamen sie nach Untersuchungen des Portals botswatch.de durchaus während des Bundestagswahlkampfs zum Einsatz. Beim TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Herausforderer Martin Schulz (SPD) waren sieben Prozent der Tweets von den Robotern verfasst. Allerdings halten Experten zwei Dinge fest. Zum einen gibt es noch sehr wenige empirische Studien zu Social Bots. Zum anderen ist wissenschaftlich noch nahezu unklar, welche Wirkung sie entfalten.
„Das Ausmaß der tatsächlichen Einflussnahme ist noch kaum belegt“, schreiben etwa Forscher des Karlsruher Instituts für Technik (KIT). Der Münchner Wissenschaftler Simon Hegelich sieht das zwar ähnlich: „Alle Studien sprechen dagegen, dass jemand seine politische Überzeugung ändert, nur weil er Nachrichten in sozialen Netzwerken sieht. Eine subtilere Manipulation ist aber sehr wahrscheinlich.“Sie könnten beispielsweise eine Debatte erst anstoßen oder aufheizen, weil sie durch massenhaftes Verbreiten aggressiver Positionen das Diskussionsklima beeinflussen.
Oft einen Schritt voraus
Die Justizminister der Länder wollen dennoch aktiv werden. Eine Arbeitsgruppe, in der auch Baden-Württemberg und Bayern mitarbeiten, hat dazu Empfehlungen ausgearbeitet. Dabei stehen sie vor einem großen
Problem: Denn bislang ist es nahezu unmöglich, die Urheber von
Bots zu identifizieren. Die Programmierer sind den Verfolgern technisch oft ei- nen Schritt vo- raus. Außerdem werden die Bots vor allem über Fa- cebook oder
Twitter aktiv. Damit wissen nur die Betreiber der Plattformen, woher die Roboter kommen.
Dort setzen die Justizminister an. Sie wollen Facebook und andere verpflichten, automatisch generierte Nachrichten oder Likes als solche zu kennzeichnen. Passiert das nicht, soll ein Bußgeld drohen. Auch wer Bots aus politischen Gründen oder aus wirtschaftlichem Interesse einsetzt und diese nicht kennzeichnet, soll zahlen. Doch das durchzusetzen, wird noch schwieriger. Ein großes Problem: Deutsches Recht lässt sich nur gegen Firmen mit Sitz in Deutschland durchsetzen. Um gegen Facebook vorzugehen, muss die EU aktiv werden. Deshalb fordern die Justizminister die künftige Bundesregierung auf, sich in der EU für entsprechende Regeln gegen Social Bots einzusetzen. Gegen Unternehmen vorzugehen, die gar keinen Sitz in der EU haben, ist nahezu unmöglich.
Genau das bemängeln die Kritiker des Vorhabens. So sagte etwa der ITRedakteur Markus Reuter bei einem Fachgespräch im Bundestag: „Eine Kennzeichnungspflicht von Bots ist bei der Bekämpfung automatisierter Propaganda wenig hilfreich. Bots lassen sich von der ganzen Welt aus erstellen und steuern.“Außerdem fehlten empirische Grundlagen über Verbreitung und Wirkung der Bots.
Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU) hält es dennoch für richtig, jetzt aktiv zu werden. „Das Thema ist sehr komplex und am Ende brauchen wir zur effektiven Durchsetzung eine Lösung mindestens auf EU-Ebene. Die jetzige Initiative unter der Federführung Baden-Württembergs ist aber ein erster wichtiger Schritt. Wir unterbreiten als Erstes echte Lösungsvorschläge und wollen so den weiteren Diskussionsprozess maßgeblich mitbestimmen.“