Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Zukunftsforscher sagt dramatischen Wandel voraus
Lars Thomsen skizziert bei der Innovation Night im Competence Park die Zukunft im Roboter-Zeitalter
FRIEDRICHSHAFEN - Lars Thomsen, einer der weltweit führenden Zukunftsforscher, hat mehr als 200 Zuhörern bei der 26. Innovation Night im Competence Park gewaltige Umbrüche in Technologie, Arbeit, Werten und Gesellschaft prognostiziert. „Der Wandel wird dramatisch werden“, kündigte auch Otto Neff, Beiratssprecher der Innovation Bodensee, in seiner Begrüßung an.
Ob die Gesellschaft für einen solch dramatischen Wandel gerüstet ist? Lars Thomsen sieht längst die „künstliche Intelligenz“im Anmarsch und kann das „uralte“Wort Digitalisierung nicht mehr hören. „Das ist durch“, sagte er. Im Jahr 2025 könne der Haushaltsroboter den Frühstückstisch decken, Fenster putzen, Pflegedienste übernehmen – und Arbeitsplätze vernichten. Heute schon, so Thomsen, gebe es weltweit 181 Firmen, die an klugen Robotern arbeiten. Ihr Preis: 20 000 Euro pro Stück. Der Markt der „künstlichen Intelligenz“werde in wenigen Jahren größer sein als der heutige Automobilmarkt. Unter anderem deshalb, weil sich das eigene Auto in Metropolen erledigen werde, da das automatisierte Fahrzeug auf Knopfdruck anrolle und sich problemlos abstellen lasse. Auch das E-Auto werde sich bis dahin durchgesetzt haben. Unter anderem deshalb, weil die Batterien erheblich billiger würden.
Thomsen blickte ins Jahr 2027 voraus („das ist nicht unglaublich weit weg“) und bedauerte, dass kaum jemand die nächsten zehn Jahre realisiere, die die Gesellschaft komplett verändern werden. Blicke man zehn Jahre zurück, habe man damals auch nicht für möglich gehalten, dass wir über selbst fahrende Autos nachdenken und Kinder mit dem Smartphone unterwegs sind, erinnerte er.
Lars Thomsen ist vom Einsatz des Roboters auch in der Pflege überzeugt. Dort habe der Roboter mehr Zeit, sich um den Menschen zu kümmern und aufmerksamer zu sein. In der Hotellerie würden Roboter Routineaufgaben des heutigen Zimmermädchens übernehmen – und dieses arbeitslos machen. Der Vorteil für den rechnenden Hotelmanager: Die künstliche Intelligenz will keinen Lohn, keine freien Tage und muss nicht versteuert und versichert werden. Der Nachteil für die Gesellschaft: Der Roboter zahlt keine Steuern. Weshalb man nicht an einem Grundeinkommen vorbeikomme und maschinelle Arbeit versteuern müsse. Lars Thomsen sieht für das Roboterzeitalter extremes Wachstumspotenzial bei Transport und Logistik. Nach seinen Vorhersagen werden Drohnen und autonomes Fliegen ein Thema. „Mobilität wird ein Dienst wie Musikhören.“
„Ende der Dummheit“naht
Das Wort „Digitalisierung“beschreibe nicht annähernd, was in den nächsten zehn Jahren bevorstehe. Es komme „das Ende der (Computer)Dummheit, und das ist gut so“, sagte Thomsen. Derzeitige Computer seien dumm, da sie nicht in der Lage seien zu lernen. Jetzt komme die künstliche Intelligenz, berichtete er aus seiner Firma, wo „Miriam“bereits alle seine E-Mails liest, Anrufe entgegennimmt und seine Partner am Telefon erkennt.
Lars Thomsen, der am Zürichsee lebt, sieht die deutliche Gefahr einer Spaltung der Gesellschaft, wenn die Geschwindigkeit der Veränderungen die Wandlungsfähigkeit der Menschen übersteigt. Gleichwohl werde die künstliche Intelligenz das Werkzeug des Menschen, die ihn von Routine befreien könne und Zeitfresser sei. Der Mensch müsse allerdings die Leitplanken dieser künstlichen Intelligenz klar definieren und in den Roboter Schranken implantieren.
Der Beiratssprecher der Innovation B (Bodensee), Otto Neff, bedauerte, dass viele Menschen von Innovation reden würden, die Bedeutung aber nicht verstünden. Er rief dazu auf, die derzeitige Hochkonjunktur, die auf „wackligen Beinen“stehe, zu nutzen, um über schlechte Zeiten zu kommen, die kommen werden. Auch in der Region müsse man Gas geben vor dem anstehenden Wandel. Andere machten mehr, so Neff. Als Beispiel nannte er Initiative „Startup Autobahn Stuttgart“.