Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wenn Senioren begeistert auf einem Cajón trommeln
Beim Schnuppertag im „Haus Sonnenuhr“lernen Ältere ungewöhnliche Instrumente kennen
FRIEDRICHSHAFEN - Zu einem ungewöhnlichen Musikprojekt hat die Kirchenmusikerin und Organistin Elisabeth Raither-Hässler in das „Haus Sonnenuhr“eingeladen: ein Schnuppertag einmal nicht für Kinder, sondern für Ältere. Passend dazu hat sie auch nicht alltägliche Musikinstrumente ausgewählt.
Ein ganzer Tisch voll lateinamerikanischer Perkussionsinstrumente wartet auf die Teilnehmer. „Jeder kann aussuchen, was er spielen will“, sagt Raither-Hässler, bevor sich die Senioren ihre Instrumente aussuchen. Die Vorfreude ist ihnen anzusehen, als sich die fünf Gäste förmlich auf die Instrumente stürzen. Ein Teilnehmer hat bereits musikalisches Vorwissen und kann Instrumente wie Ziehharmonika und Gitarre spielen. Eine andere Teilnehmerin hat zumindest für eine kurze Zeit in einem Chor gesungen.
„Dein Instrument sieht aus wie ein Kartoffelstampfer“, wendet sich eine Teilnehmerin an ihren Sitznachbarn, der auf einer peruanischen Kistentrommel, einem sogenannten Cajón sitzt, und eine Cabasa, ein lateinamerikanisches Perkussionsinstrument, in Händen hält. Er betrachtet sichtlich amüsiert seine Auswahl.
Der Trend geht zum Zweit-Instrument
Auch die anderen Musizierenden haben in Laufe des Nachmittags mehr als ein Instrument in der Hand. Neben den bekannteren Instrumenten wie den Schellenrasseln, Klangstäben und Rahmentrommeln sind es die Maracas, auch als südamerikanische Rumbarasseln bekannt, und Güiros, hohle Rhythmusinstrumente aus Mittelamerika, die eine gezackte Oberfläche haben und durch Reiben eines Holzstabs Klänge erzeugen. Judith Knacke, Seniorenbeauftragte der Stadt Friedrichshafen, nimmt eine Triangel in die Hand. „Wir konnten mit dem Geld, das uns die Sparkasse gespendet hatte, Musikinstrumente erwerben“, sagt sie über die vielen gekauften Instrumente, die jetzt dauerhaft im Seniorenzentrum für alle Besucher zur Verfügung stehen. Sie hat die Veranstaltung intiiert und dafür mit der Musikschule Friedrichshafen Kontakt aufgenommen, die sie wiederum mit der Musikerin Raither-Hässler bekannt gemacht hat.
Für Raither-Hässler ist die Veranstaltung im „Haus Sonnenuhr“Teil ihrer praktischen Ausbildung im Fach Musikgeragogik an der Landesmusikakademie in Berlin. Die Musikgeragogik ist ein neuer Studiengang und hat das Ziel, älteren Menschen das Spielen von Musikinstrumenten nahezubringen. Das Angebot mit Senioren in Friedrichshafen musizieren zu können, hat sie gerne angenommen.
Die Senioren haben ihren Spaß. Bei Volksliedern wie „Das Wandern ist des Müllers Lust“, „Ein Jäger aus der Pfalz“, „Zigeunerjunge“und „Die Tiroler sind lustig, die Tiroler sind froh“legen sie sich so richtig ins Zeug, trommeln und schlagen unter Anleitung der Musikgeragogin auf ihre Instrumente ein.
Sie leitet wie eine Dirigentin das Spiel der Gruppe. Beim Lied „Zigeunerjunge“ zeigt sie jedem, wann er sein Instrument anstimmen soll. „Der Schellenkranz nur, wenn ich es anzeige, die Klanghölzer nur beim Refrain „Zigeunerjunge“und bei „Tam-tam“, und die Rasseln bitte durchgehend bis zum Ende spielen“, erläutert sie.
„Fühlen Sie sich wohl?“, fragt sie danach die Anwesenden. „Es ist ungewohnt, aber es macht Spaß“, antwortet ein Teilnehmer, der mit dem Cajón und der Casaba musiziert. Alle haben nur selten Probleme, den Takt und den Rhythmus einzuhalten; sie kennen die meisten Melodien. Nur ein Lied kennen die meisten älteren Teilnehmer nicht. Nur Judith Knacke sagt das Lied „Leo, spann den Wagen an“etwas.
Elisabeth Raither-Hässler ist vom Einsatz und den Fähigkeiten der Teilnehmer begeistert. Sie hat nicht erwartet, dass diese so wenige Probleme mit den Instrumenten haben würden. „Reaktion und Rhythmus stimmen einfach“, lobt sie RaitherHässler. „Ich hätte durchaus anspruchsvollere Lieder nehmen können. Auch das hätten sie gepackt“, meint sie am Ende.
„Fühlen Sie sich wohl?“
Elisabeth Raither-Hässler