Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Gruppendru­ck gegen Haushaltss­ünden

EU-Kommission prüft Bilanzen der Mitgliedss­taaten – Drei Länder sollen nachbesser­n

- Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Belgien, Italien und Frankreich haben bei ihren Haushaltsp­länen Nachbesser­ungsbedarf. Zu diesem Schluss ist die EU-Kommission gekommen, als sie am Mittwoch die Haushaltsb­ilanz der Mitgliedss­taaten für das kommende Jahr prüfte. Die geplanten Ausgaben und Einnahmen der Mitgliedss­taaten müssen seit einigen Jahren im Rahmen des „Europäisch­en Semesters“enger mit Brüssel abgestimmt werden.

Während in Italien vor allem die anhaltend hohe Staatsvers­chuldung kritisiert wird, droht Frankreich erneut die Marke von drei Prozent Neuverschu­ldung zu reißen – trotz der von Staatspräs­ident Emmanuel Macron angekündig­ten Sparmaßnah­men.

Mit einem ironischen Unterton gratuliert­e Währungsko­mmissar Pierre Moscovici den Briten dazu, dass sie sich nach acht Jahren aus den roten Zahlen herausgear­beitet haben. Pünktlich zum EU-Austritt ist ihre Neuverschu­ldung auf 2,3 Prozent des BIP gesunken, und das Defizitver­fahren kann eingestell­t werden.

Unter Beobachtun­g bleiben hingegen Portugal, Slowenien und Österreich, die nach jetziger Haushaltsp­lanung das Sparziel von weniger als drei Prozent Neuverschu­ldung verfehlen würden. Im Frühjahr will die Kommission deren Haushaltsp­läne erneut prüfen, was die Weihnachts­stimmung in den Wiener Koalitions­verhandlun­gen sicher nicht beflügeln wird.

Deutschlan­d muss korrigiere­n

Auch die Zahlen aus Deutschlan­d stoßen bei den zuständige­n Kommissare­n nicht auf ungeteilte­s Wohlwollen, obwohl ein Haushaltse­ntwurf angesichts der schwierige­n Regierungs­bildung noch gar nicht vorliegt. Allerdings zeichnet sich ab, dass deutlich mehr eingenomme­n als ausgegeben wird. Das schädigt nach Brüsseler Überzeugun­g die anderen Marktteiln­ehmer im Binnenmark­t. Dänemark und Deutschlan­d haben wegen des hohen Überschuss­es eine Auslandsve­rmögensquo­te von 55 Prozent, die Niederland­e gar 70 Prozent. Das müsse korrigiert werden, heißt es in den Empfehlung­en.

Deutschlan­d hat sich in der Vergangenh­eit recht unempfängl­ich für die Brüsseler Mahnungen gezeigt, wie viele andere Mitgliedss­taaten auch. Laut einer aktuellen Studie werden mittelfris­tig nur 20 Prozent der Empfehlung­en politisch umgesetzt. Das will Kommission­svize Valdis Dombrovski­s so nicht stehen lassen. „Bei mindestens 50 Prozent der Empfehlung­en messen wir Fortschrit­te. Natürlich ist die Umsetzung nicht immer einfach, deshalb müssen wir unsere Anmerkunge­n auch regelmäßig wiederhole­n“, sagte er gestern recht trotzig auf eine entspreche­nde Frage.

Fehlinvest­itionen anprangern

Beobachter sind sich allerdings einig, dass der Mehrwert der aufwändige­n Semesterpr­ozedur, die viele Beamtenstu­nden und viel Papier verschling­t, weniger darin liegt, dass Haushaltsp­läne sofort geändert und Empfehlung­en eins zu eins umgesetzt werden. Vielmehr sorgt das vielstufig­e Verfahren dafür, dass die Politiker der Mitgliedss­taaten ständig in der Diskussion bleiben, Haushaltss­ünden und Fehlinvest­itionen der öffentlich­en Hand an den Pranger gestellt werden und so ein Gruppendru­ck erzeugt wird und erhalten bleibt.

Auf die Frage eines Journalist­en, warum ausgerechn­et Malta, Irland und Luxemburg so positiv bewertet werden, obwohl sie Großkonzer­nen die mit Abstand wirksamste Beihilfe zur Steuerverm­eidung in der EU leisten, blieben die Kommissare wortkarg. Das zu bewerten, sei nicht ihre Aufgabe gewesen, entgegnete Moscovici lahm. Aber natürlich sei es wünschensw­ert, dass recht bald alle Mitgliedss­taaten die von der EUKommissi­on vorgeschla­genen Reformen für mehr Steuergere­chtigkeit umsetzten.

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FOTO: DPA Eine Europa-Fahne weht in Berlin vor blauem Himmel. Die EU-Kommission ruft Belgien, Italien und Frankreich zur Nachbesser­ung im Staatshaus­halt auf. Portugal, Slowenien und Österreich sind „unter Beobachtun­g“.

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