Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der „Rucksack“könnte doch beflügeln

Laura Dahlmeier, bei der WM hochdekori­erte Biathletin, geht den Olympiawin­ter positiv an

- Von Joachim Lindinger

Instant-Cappuccino! Zum Anstoßen! Auf einen soeben erfüllten Jugendtrau­m! Nein, bei Laura Dahlmeier schüttelt einen dieser Gedanke nicht. Die 24-Jährige mag siebenmali­ge Biathlon-Weltmeiste­rin sein seit ihrer Rekord-WM im Februar in Hochfilzen (fünfmal Gold, einmal Silber) – doch ist sie auch jemand, der sich regelmäßig neu erdet. Nach der Saison, im – seltenen – Urlaub, zieht es die Garmisch-Partenkirc­henerin in die Berge. Laura Dahlmeier klettert. Aus Leidenscha­ft. Und: sich den Kopf frei. Peru war diesen Juni Reiseziel, vor allem lockte der Alpamayo, 5974 Meter hoch, Dahlmeier’scher Sehnsuchts­ort und „einfach superschön“. Zurück vom Gipfel, war löslicher Kaffee Hochgenuss. Demut lehren die Berge, verändern den Blick. Beim Klettern, sagt Laura Dahlmeier, fühle sie Freiheit und Unabhängig­keit; den Rhythmus gibt die Natur vor, kein Wettkampfk­alender.

Von Sonntag an ist das wieder anders: In Östersund beginnt mit der Single-Mixed-Staffel (14.15 Uhr/ARD, Eurosport) die Weltcup-Saison. Laura Dahlmeiers sechste. Neun Stationen, 32 Wettbewerb­e, der letzte am 25. März. Gewohnt ambitionie­rt ist das – und dennoch nicht Maß allen Skatens und Schießens im Olympiawin­ter. Die wichtigste­n Kräftemess­en 2017/2018? „Die Rennen von Pyeongchan­g. Da geht der Vorhang auf.“

Mit Laura Dahlmeier als Hauptdarst­ellerin? Die (Erfolgs-)Zahlen lassen kaum einen anderen Schluss zu. Zu sechsmal WM-Edelmetall vor neun Monaten kamen 2016/17 der Gesamtwelt­cup-Triumph sowie – in den Diziplinwe­rtungen – die ersten Plätze in Einzel, Verfolgung und Staffel, dazu zweite Ränge in Sprint und Massenstar­t. Zehn Tagessiege (sechs zweite Plätze und ein dritter zudem) waren Basis dafür; bei vier deutschen Staffel-Erfolgen hieß die Schlussläu­ferin Dahlmeier. Am Schießstan­d fanden 444 ihrer 501 Wettkampf-Versuche ins Ziel. Erfolgsquo­te 88,62 Prozent, besser schossen im Weltcup-Feld genau fünf Konkurrent­innen. Läuferisch fand man allein Kaisa Mäkäräinen vor der Frau vom SC Partenkirc­hen. Deren „Skiing Performanc­e“haben die Statistike­r des Biathlon-Weltverban­des IBU auf „- 4,8“taxiert. Will sagen: Laura Dahlmeier war in der Loipe um 4,8 Prozent schneller als der Schnitt aller 143 Weltcup-Starterinn­en.

Erlebt, „dass es aufgeht“

Hauptdarst­ellerin also bei ihren zweiten Olympische­n Spielen? Längere Pause. „Das war für mich superspann­end vor vier Jahren in Sotschi“, antwortet Laura Dahlmeier dann. „Das einmal mitzuerleb­en, dabei zu sein. Natürlich wollt’ ich da auch eine gute Leistung abliefern, das ist mir nicht ganz so gelungen – auch vom ganzen Trainingsa­ufbau her. Das möcht’ ich diese Saison auf alle Fälle anders machen. Da möcht’ ich fit sein, das ist das Großereign­is.“Heißt? In Hoffnungen, in Medaillen ausgedrück­t? „Eine goldene“... im Idealfall „im Einzel“.

Dass der Ideal- nicht der Normalfall ist, nicht sein muss – gerade nach Hochfilzen nicht –, das weiß Laura Dahlmeier. „Rucksack“allein aber sei die vergangene Saison keineswegs. Gewiss erwarte „das ganze Umfeld jetzt viel, viel mehr“, anderersei­ts habe sie selbst erlebt, „dass es aufgeht; dass das, was wir machen, das Richtige ist, dass es passt. Das könnt’ ja auch beflügeln. Ich versuch’, das eigentlich schon positiv zu sehen.“

Also wird Laura Dahlmeier auch vor Pyeongchan­g „einfach meinen Weg gehen“. In Absprache mit Bundestrai­ner Gerald Hönig („Die Laura ist eine Athletin, die sich sehr gut einschätze­n kann, was Belastungs­maß und Regenerati­onszeiten betrifft“), mit Heimtraine­r Bernhard Kröll. Merke: „Ich versuch’ immer, zum aktuellen Zeitpunkt das Bestmöglic­he rauszuhole­n aus dem Training, das Bestmöglic­he zu geben. So werd’ ich das in dem Jahr auch wieder angehen. Und dann schau’n wir.“

Bedenken wegen Korea-Konflikt

Am 10. Februar ist der Sprint der Frauen erste Biathlon-Entscheidu­ng in Südkorea. Soll er – die Einschränk­ung muss kommen – erste olympische Entscheidu­ng sein. Einen Plan B gibt es nicht, verschärft sich der Konflikt Nordkorea/USA, sprich: Kim Jongun/Donald Trump, tatsächlic­h. Laura Dahlmeier hat sich ein Bild gemacht, Dokumentat­ionen über Land, Leute und Politik angeschaut. „Ich finde“, sagt sie, „man kann sich schon damit beschäftig­en, wo man denn hinfährt im Winter.“Ergebnis dieser Beschäftig­ung: Bedenken. Laura Dahlmeier Mitte September: „Biathlon ist aktuell das Wichtigste in meinem Leben, aber ich möcht’ jetzt nicht nimmer heimkommen, bloß weil die Olympische­n Spiele in einem Land sind, wo es 60 Kilometer entfernt politische Unruhen gibt. Und wenn da jemand durchdreht ...“Laura Dahlmeier diesen Mittwoch in der „Sport Bild“: „Wenn eine akute Gefahr für Leib und Leben von uns Sportlern besteht, werde ich sicher nicht mit aller Macht nach Pyeongchan­g fahren.“

Zeit und Vernunft könnten helfen. Laura Dahlmeier wird „das beobachten“. Und laufen, schießen, trainieren bis dahin. In ruhigen Augenblick­en auch an Instant-Cappuccino denken. An Peru, an den Alpamayo. An all die intensiven Eindrücke, all die Bilder.

Davon lässt sich zehren. Im Olympiawin­ter kann frau das brauchen.

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FOTO: DPA Ich bin dann mal weg: Hochfilzen war die Weltmeiste­rschaft der Laura Dahlmeier (hier auf dem Weg zu Verfolgung­sgold). Für den Olympiawin­ter wird die 24-Jährige entspreche­nd hoch gehandelt.

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