Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
ADFC zerlegt Verkehrsentwicklungsplan
Massive Kritik am Inhalt des Gutachtens – Radler sehen Verbesserung nur für Autofahrer
FRIEDRICHSHAFEN - Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club, Ortsgruppe Friedrichshafen (ADFC) übt massive Kritik am 3. Zwischenbericht des Verkehrsentwicklungsplanes (VEP). Obgleich der ADFCSachverständige Bernhard Glatthaar Mitglied in der Arbeitsgruppe des VEP ist, ist für ihn der Bericht nicht ausreichend und die Vorgehensweise von Baubürgermeister Stefan Köhler in diesem Zusammenhang mangelhaft.
Ebenso wie sich Gerhard Leiprecht (Grüne) im Technischen Ausschuss des Gemeinderates nach seiner Kritik am VEP von Stefan Köhler anhören musste, dass er diese Punkte doch schon in den zurückliegenden vier Jahren habe ansprechen können, sieht auch Bernhard Glatthaar diesen Vorwurf für sich im Raum stehen, wenn er jetzt Kritik am VEP übe.
„Ich habe mich bislang aber stets an die Nichtöffentlichkeit der Sitzungen gehalten und öffentlich nicht darüber gesprochen. Und wenn ich in den Sitzungen Ideen oder Einwände hatte, sind die nicht berücksichtigt worden“, sagt Glatthaar und richtet seine erste Kritik an Bürgermeister Köhler. Der habe nur von Ratsmitgliedern innerhalb der Arbeitsgruppe Ideen aufgegriffen. „Köhler war nicht bereit, Zusatzvorschläge aufzunehmen und von den Gutachtern überprüfen zu lassen. Der Verkehrsentwicklungsplan ist eigentlich ein Auto-Entwicklungsplan für die Innenstadt“, führt Glatthaar ins Feld, untermauert seine Aussagen mit Fallbeispielen und stellt für den Endbericht Forderungen auf, die berücksichtigt werden müssten.
Seit vier Jahren arbeite man an einem Verkehrsentwicklungsplan, und für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) seien lediglich zwei Haltestellen dabei herausgekommen, sagt Glatthaar. Der Kreisvorsitzende des ADFC, Karl Honnen, sieht erhebliche Mängel in diesem VEP, da damit der Anteil des ÖPNV am innerstädtischen
Verkehr kaum zunehme: „Wir haben in Friedrichshafen gerade mal fünf Prozent der Verkehrsteilnehmer, die mit dem Bus fahren. Das waren 1998 schon nur so wenige und eine Entwicklung ist nicht in Sicht.“In Konstanz seien es elf Prozent.
Auch die Zielvorstellung des Häfler VEP, den motorisierten Individualverkehr (Autos und Motorräder) von heute 57 Prozent (1998 – 56 Prozent) auf 50 Prozent zu senken und dafür den Verkehr aus dem so genannten Umweltverbund (ÖPNV, Fußgänger und Radfahrer) von 43 Prozent auf 50 Prozent zu steigern, geht den Vertretern des ADFC nicht weit genug. „Konstanz konnte schon 2007 eine bessere Verkehrsbilanz vorlegen, warum kann Friedrichshafen das nicht?“, fragt Honnen. In Konstanz fahren zur Zeit nur 31 Prozent der Verkehrsteilnehmer mit dem Auto und auch diese Stadt liege am See. Der müsse in Friedrichshafen immer wieder als Sündenbock für die Verkehrsprobleme herhalten, weil durch ihn nicht genügend Ausweichflächen zur Verfügung stünden, so Glatthaar.
Die Zahlen des Verkehrsentwicklungsplanes würden ohnehin zeigen, dass die Wirkung der neugebauten Umgehungsstraße ohne weitere Maßnahmen in der Innenstadt minimal sei. Lediglich 2000 von 28 000 bis 30 000 Fahrzeugen, die über die B 31 nach Friedrichshafen hereinfahren, nutzen diese Straße, um durch die Stadt durch zu fahren. Die anderen führen zu Zielen in der Stadt. Somit werde der Zielverkehr bleiben, und der müsse dringend kanalisiert werden. Bernhard Glatthaar, ADFC und VEP-Arbeitsgruppenmitglied
Zahlenspiel statt echter Plan
Auch die Zielvorstellung des VEP, bis 2030 die Individualverkehre und den Umweltverbund gleichermaßen verteilt zu haben, sei nur ein Zahlenspiel. Die prozentuale Verteilung 2013 gehe nach Verkehrszählung und -Befragung von 168 100 Wegen aus, die die Verkehrsteilnehmer zurücklegen würden. Für 2030 seien 188 300 Wege prognostiziert. Eine prozentuale Verteilung sage da nichts über die absoluten Zahlen aus. „Und die sehen dann bei deutlich mehr Wegen so aus, dass in der Innenstadt genau so viel Pkw unterwegs sind, wie heute“, sagt Glatthaar. Der Verkehrsentwicklungsplan sei dann außer Zahlenspielerei nur noch teuer gewesen.
„Stefan Köhler war nicht bereit, Zusatzvorschläge aufzunehmen und prüfen zu lassen.“