Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Anselm Grün empfiehlt Wege der Verwandlung
Prominenter Gastprediger beim ökumenischer Gottesdienst an Buß- und Bettag in der Schlosskirche
FRIEDRICHSHAFEN - Er ist Garant für volle Säle und Kirchen: Anselm Grün, Benediktinermönch der Abtei Münsterschwarzach, predigte am Buß- und Bettag in der Schlosskirche. Die katholische und die evangelische Kirche hatten ihn zum ökumenischen Gottesdienst eingeladen. Das Thema „Gier und wie man ihr entkommt“treffe ins Zentrum unserer Gesellschaft, sagte Codekan Gottfried Claß in seiner Begrüßung.
Drei Jahre habe er versucht, Pater Anselm Grün nach Friedrichshafen zu locken, sagte Claß. „Im vierten Jahr hatte ich Glück.“Der 72-Jährige ist einer der meist gelesenen Autoren spiritueller Bücher und ein gefragter Referent. Seine ruhige und einfühlsame Art, sein Tiefgang, seine Verwurzelung im Glauben und seine Kenntnis der menschlichen Psyche finden über den Raum der Kirche hinaus Anerkennung und Resonanz. In Münsterschwarzach gibt er Kurse und begleitet im Recollectiohaus Priester, Ordenlseute und kirchliche Mitarbeiter.
Von der Kanzel
In der Schlosskirche stieg der Pater auf die Kanzel, was für evangelische Pfarrer eher normal, für katholische Priester die Ausnahme ist. Anselm Grün macht gleich im ersten Satz seiner Predigt deutlich, dass er niemand abkanzeln will und nicht „von oben herab“spreche. „Wir Christen sind nicht dazu da, andere anzuklagen“, so Grün. Ihm gehe es darum, Wege aufzuzeigen, wie man der Gier und der Habsucht entkommt. Diese sei nicht nur im christlichen Kontext, sondern bereits bei den griechischen Philosophen, aber auch im Buddhismus ein Laster, das den Menschen daran hindert, zur Ruhe zu kommen, sich selber zu spüren und zu genießen. Gier sei eine Form von Sucht, und diese entstehe meist aus verdrängter Sehnsucht. Der christliche Weg, Gier nicht übermächtig werden zu lassen, heiße Verwandlung und Umkehr. Diesen zeigte Grün in zwölf Schritten auf. Der erste Schritt beginne mit dem Eingeständnis, „ja, ich bin gierig – nach Anerkennung, nach Erfolg, nach Besitz...“Man müsse nicht nur auf die Mächtigen schauen oder den Turbokapitalismus ins Feld führen. Gier sei eine Leidenschaft, die zerstören oder stärken könne und die sich oft als Antwort auf eine Mangelerscheinung zeige. Deshalb dürfe man sie nicht beiseite schieben, sondern müsse sie anschauen, mit ihr ins Gespräch kommen, sie Gott hinhalten. Wer sich dann in einem dritten Schritt erlaube, die Gier zu Ende denken und sich vorstelle, alles zu besitzen, werde unwillkürlich mit der Frage konfrontiert sein: „Bin ich wirklich glücklich, wenn ich alles habe?“
„Genießen heißt loslassen“
Den vierten Schritt beschrieb Grün als Weg in die Freiheit. Sich Grenzen setzen, habe nichts Negatives an sich, sondern sei befreiend. Die Gier zu verwandeln in Ehrgeiz, in Dankbarkeit, in Lebenslust, in Solidarität und Mitgefühl, in Zuverlässigkeit seien weitere Schritte. Sie münden nach den Worten von Grün in einem elften und zwölften Schritt in die Kunst des Genießens und der Gelassenheit. Man könne auch Gott genießen, aber das heißt nicht, ihn vereinnahmen, wie es ein Buchtitel nahelegt „Bete und werde reich“. Genießen heiße loslassen, vor allem das eigene Ego. Die Mystiker hätten diese Kunst in hohem Maße beherrscht und in dem Leib Christi den Inbegriff der Schönheit erfahren. Der Schriftsteller Martin Walser drücke diese Erfahrung so aus: „Wenn du etwas schön findest, bist du niemals allein, sondern bist erlöst von dir selbst“. Jeder Mensch sei schön, wenn er liebevoll angeschaut werde. Alle Leidenschaften und Emotionen hätten Sinn und Kraft in sich. Diese könne zerstören oder aufbauen. Letzteres gelinge aber nur, wenn wir die negativen Seiten anschauen, Gott hinhalten und sie verwandeln lassen. Nach einem Segensgebet von Pfarrer Bernd Herbinger, Fürbitten der Konfirmanden mit Pfarrerin Rebekka Scheck und Liedern, die von Orgel und Posaunenchor abwechselnd begleitet wurden, erteilte Pater Anselm Grün den Segen. Die Kollekte komme der Spendenaktion der Schwäbischen Zeitung „Häfler helfen“und der Renovierung der Schlosskirchenorgel zugute, wie Codekan Claß sagte. Bücher von Anselm Grün, wer wollte mit Widmung, und Orgelköstlichkeiten gab’s am Ausgang der Kirche.