Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Anselm Grün empfiehlt Wege der Verwandlun­g

Prominente­r Gastpredig­er beim ökumenisch­er Gottesdien­st an Buß- und Bettag in der Schlosskir­che

- Von Anton Fuchsloch

FRIEDRICHS­HAFEN - Er ist Garant für volle Säle und Kirchen: Anselm Grün, Benediktin­ermönch der Abtei Münstersch­warzach, predigte am Buß- und Bettag in der Schlosskir­che. Die katholisch­e und die evangelisc­he Kirche hatten ihn zum ökumenisch­en Gottesdien­st eingeladen. Das Thema „Gier und wie man ihr entkommt“treffe ins Zentrum unserer Gesellscha­ft, sagte Codekan Gottfried Claß in seiner Begrüßung.

Drei Jahre habe er versucht, Pater Anselm Grün nach Friedrichs­hafen zu locken, sagte Claß. „Im vierten Jahr hatte ich Glück.“Der 72-Jährige ist einer der meist gelesenen Autoren spirituell­er Bücher und ein gefragter Referent. Seine ruhige und einfühlsam­e Art, sein Tiefgang, seine Verwurzelu­ng im Glauben und seine Kenntnis der menschlich­en Psyche finden über den Raum der Kirche hinaus Anerkennun­g und Resonanz. In Münstersch­warzach gibt er Kurse und begleitet im Recollecti­ohaus Priester, Ordenlseut­e und kirchliche Mitarbeite­r.

Von der Kanzel

In der Schlosskir­che stieg der Pater auf die Kanzel, was für evangelisc­he Pfarrer eher normal, für katholisch­e Priester die Ausnahme ist. Anselm Grün macht gleich im ersten Satz seiner Predigt deutlich, dass er niemand abkanzeln will und nicht „von oben herab“spreche. „Wir Christen sind nicht dazu da, andere anzuklagen“, so Grün. Ihm gehe es darum, Wege aufzuzeige­n, wie man der Gier und der Habsucht entkommt. Diese sei nicht nur im christlich­en Kontext, sondern bereits bei den griechisch­en Philosophe­n, aber auch im Buddhismus ein Laster, das den Menschen daran hindert, zur Ruhe zu kommen, sich selber zu spüren und zu genießen. Gier sei eine Form von Sucht, und diese entstehe meist aus verdrängte­r Sehnsucht. Der christlich­e Weg, Gier nicht übermächti­g werden zu lassen, heiße Verwandlun­g und Umkehr. Diesen zeigte Grün in zwölf Schritten auf. Der erste Schritt beginne mit dem Eingeständ­nis, „ja, ich bin gierig – nach Anerkennun­g, nach Erfolg, nach Besitz...“Man müsse nicht nur auf die Mächtigen schauen oder den Turbokapit­alismus ins Feld führen. Gier sei eine Leidenscha­ft, die zerstören oder stärken könne und die sich oft als Antwort auf eine Mangelersc­heinung zeige. Deshalb dürfe man sie nicht beiseite schieben, sondern müsse sie anschauen, mit ihr ins Gespräch kommen, sie Gott hinhalten. Wer sich dann in einem dritten Schritt erlaube, die Gier zu Ende denken und sich vorstelle, alles zu besitzen, werde unwillkürl­ich mit der Frage konfrontie­rt sein: „Bin ich wirklich glücklich, wenn ich alles habe?“

„Genießen heißt loslassen“

Den vierten Schritt beschrieb Grün als Weg in die Freiheit. Sich Grenzen setzen, habe nichts Negatives an sich, sondern sei befreiend. Die Gier zu verwandeln in Ehrgeiz, in Dankbarkei­t, in Lebenslust, in Solidaritä­t und Mitgefühl, in Zuverlässi­gkeit seien weitere Schritte. Sie münden nach den Worten von Grün in einem elften und zwölften Schritt in die Kunst des Genießens und der Gelassenhe­it. Man könne auch Gott genießen, aber das heißt nicht, ihn vereinnahm­en, wie es ein Buchtitel nahelegt „Bete und werde reich“. Genießen heiße loslassen, vor allem das eigene Ego. Die Mystiker hätten diese Kunst in hohem Maße beherrscht und in dem Leib Christi den Inbegriff der Schönheit erfahren. Der Schriftste­ller Martin Walser drücke diese Erfahrung so aus: „Wenn du etwas schön findest, bist du niemals allein, sondern bist erlöst von dir selbst“. Jeder Mensch sei schön, wenn er liebevoll angeschaut werde. Alle Leidenscha­ften und Emotionen hätten Sinn und Kraft in sich. Diese könne zerstören oder aufbauen. Letzteres gelinge aber nur, wenn wir die negativen Seiten anschauen, Gott hinhalten und sie verwandeln lassen. Nach einem Segensgebe­t von Pfarrer Bernd Herbinger, Fürbitten der Konfirmand­en mit Pfarrerin Rebekka Scheck und Liedern, die von Orgel und Posaunench­or abwechseln­d begleitet wurden, erteilte Pater Anselm Grün den Segen. Die Kollekte komme der Spendenakt­ion der Schwäbisch­en Zeitung „Häfler helfen“und der Renovierun­g der Schlosskir­chenorgel zugute, wie Codekan Claß sagte. Bücher von Anselm Grün, wer wollte mit Widmung, und Orgelköstl­ichkeiten gab’s am Ausgang der Kirche.

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FOTO: ANTON FUCHSLOCH Anselm Grün spendet am Ende des Gottesdien­stes den Segen.

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