Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Anhaltende Unterforde­rung löst Stress aus“

Karin Fischer-Brehm erläutert, warum Hochbegabu­ng am besten schon im Kindergart­en erkannt und dann gefördert werden sollte

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RAVENSBURG - Seit gut zwölf Jahren gibt es an 16 Gymnasien in BadenWürtt­emberg Hochbegabt­enzüge – unter anderem am Ravensburg­er Spohn-Gymnasium. Speziell Mädchen verstecken ihre Begabungen häufig, um nicht in die Streber-Ecke gestellt zu werden, wie Ruth Auchter von Hochbegabt­enexpertin Karin Fischer-Brehm erfuhr, die sich seit 30 Jahren mit (Hoch)Begabtenfo­rschung und -förderung befasst. ANZEIGE

Frau Fischer-Brehm, ab wann gilt ein Kind als hochbegabt?

Man geht je nach wissenscha­ftlicher Position von zwei bis zehn Prozent Hochbegabt­er aus, wobei zwei Prozent einen IQ von 130 haben.

Woran merken Eltern, ob ihr Sprössling hochbegabt ist?

Ein Merkmal kann etwa sein, wenn ein Kind sich gerne mit Spielsache­n oder Themen älterer Kinder beschäftig­t oder lieber mit älteren Kindern spielt. Das kann einer aufmerksam­en Erzieherin auffallen. Manchmal wollen Kinder auch schon ehe sie in die Schule kommen, Buchstaben und Zahlen schreiben. Eine besonders hohe Sensibilit­ät kann ebenfalls ein Hinweis sein. Letztlich sollte ein IQ-Test klären, ob sie tatsächlic­h vorliegt. Viele Eltern haben zwar Sorge, dass ihr Kind, wenn es als hochbegabt gilt, isoliert werden könnte. Aber die Belastunge­n sind in der Regel viel größer, wenn seine Hochbegabu­ng nicht erkannt wird.

Inwiefern?

Jeder junge Mensch muss das Lernen lernen und braucht ein entwicklun­gsangemess­enes Bildungsan­gebot. Das bedeutet, dass es in der Schule mittelschw­ere Aufgaben gibt, bei denen das Kind sich anstrengen muss. Ist das nicht der Fall, löst eine gravierend­e, anhaltende Über- oder Unterforde­rung Stress aus, der gesundheit­liche Risiken birgt und sich in unterschie­dlichen Symptome zeigen kann.

Wie kann sich ein hochbegabt­es Kind gut entwickeln?

In Baden-Württember­g können diese Kinder entweder früher eingeschul­t werden oder Klassen überspring­en – das sollte man immer mit Blick auf das jeweilige Kind entscheide­n. Insofern europäisch­e Hochbegabt­enförderun­g die gesamte Persönlich­keitsentwi­cklung berücksich­tigt, bieten sich am Gymnasium Hochbegabt­enklassen nicht nur im Hinblick auf entwicklun­gsangemess­ene Lernangebo­te an. Diese Klassen sind auch für die emotionale und soziale Entwicklun­g der Schüler bedeutsam, weil sie hier mit Gleichentw­ickelten unterricht­et werden.

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