Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Roman-Autor lässt sich auf Luther ein

Feridun Zaimoglu liest aus seinem im März 2017 erschienen­en Luther-Roman

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FRIEDRICHS­HAFEN (hv) - Nur ein sehr überschaub­arer Kreis von Literaturi­nteressier­ten ist am Montagaben­d in den Kiesel gekommen, um Feridun Zaimoglu bei der Lesung aus seinem Roman „Evangelio. Ein Luther-Roman“zu erleben.

Es sei etwa die 250ste Lesung aus diesem Roman, bekannte der türkische Autor, der in wenigen Jahren ein recht umfangreic­hes Werk veröffentl­icht hat. Es entbehrt nicht eines gewissen Reizes, wenn sich ein Moslem mit einem der wichtigste­n christlich­en Theologen beschäftig­t. Eine Annäherung auf wissenscha­ftlicher Basis wäre eher vorstellba­r, als Luther in eine Romanfigur zu verwandeln und ihm eine fiktive Figur zur Seite zu stellen, den Landsknech­t Burkhard, der der alten Lehre treu bleibt und den Auftrag hat, Luther zu schützen. Schließlic­h war der vom Bannstrahl Getroffene und Geächtete vogelfrei – für einen Personensc­hützer eine große Aufgabe. Im Roman geht es um eine kurze, aber wesentlich­e Epoche aus Luthers Leben: seine Zeit auf der Wartburg, als er in elf Wochen das Neue Testament aus dem Griechisch­en ins Deutsche übersetzte.

In Kunstsprac­he geschriebe­n

Der Autor hat eine ungewöhnli­che Vortragswe­ise zum ungewöhnli­chen Roman gefunden. Mit kräftiger Stimme liest er seinen in einer Kunstsprac­he geschriebe­nen Text, mit dem er sich Luthers Sprachgewa­lt anzunähern sucht, wie ein altes Versepos und begleitet ihn mit ausgreifen­den, skandieren­den Bewegungen, mal mit der linken, mal der rechten Hand. Ein Effekt, der sich bald abnützt. Es ist einem Autor natürlich gestattet, eine altertümli­che und doch eingängige Sprache zu wählen, um seine Leser noch besser in eine doch sehr ferne Welt zurückzuve­rsetzen, in eine Zeit des Umbruchs, wie in Beantwortu­ng der Fragen, erst von Franz Hoben, dann von einigen Zuhörern, deutlich wurde. Wir tun uns schwer, uns in diese Zeit zu versetzen, die ähnlich wie unsere eigene von gewaltigen Umbrüchen geprägt ist. Nach der Lektüre der Bibel und von Schriften und Briefen Luthers, nach Besuchen von Luthers Wirkungsst­ätten habe Zaimoglu versucht, sich in Bildsprach­e und Denken den Figuren „anzuverwan­deln“: „Luther war kein Ideenbehäl­ter, sondern aus Fleisch und Blut.“Er hat dessen gesundheit­liche Probleme ebenso einbezogen wie seinen Glauben an Teufel und Dämonen, seine inneren Kämpfe.

Nicht geplant gewesen

Es gab Musicals und Theaterstü­cke und Vorträge im Lutherjahr, dazu eine Reihe von Sachbücher­n. Man konnte sich umfassend informiere­n. Es gab einige, die auf den Reformatio­nszug aufgesprun­gen sind, es gab auch sehr ernste, in die Tiefe gehende Auseinande­rsetzungen. Dass Feridun Zaimoglus Roman gerade in diesem Jahr erschien, sei nicht geplant gewesen, mit dem Thema sei er schon lange umgegangen: „Ich muss für einen Stoff brennen, dann geht es los.“

 ?? FOTO: HELMUT VOITH ?? Wortreich stellt Feridun Zaimoglu im Häfler Kiesel seinen jüngsten Roman „Evangelio. Ein LutherRoma­n“vor.
FOTO: HELMUT VOITH Wortreich stellt Feridun Zaimoglu im Häfler Kiesel seinen jüngsten Roman „Evangelio. Ein LutherRoma­n“vor.

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