Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Von der Moral, Adventskalender zu öffnen
Ursprünglich sollen die Adventskalender – darauf sei im Lutherjahr vielleicht auch noch einmal hingewiesen – als Zählhilfe und Zeitmesser gedient haben. Sie stammen aus dem protestantischen Umfeld der Kirche und tauchen erstmals Ende des 19. Jahrhunderts auf.
Heute sind sie nicht nur als wunderbare Kreationen in selbst gemachter Form zu finden, sondern millionenfach auch reine Marketingund Verkaufswerkzeuge oder Online-Kundenbindungs-Tools. Sie liegen aber auch als Geschenk in der Redaktion. Nun ist der Gebrauch eines solchen Adventskalenders uns seit Kindertagen bekannt.
Ab dem 1. Dezember fiebern wir dem Öffnen der Türchen und vor allem dem Suchen der richtigen Tageszahl auf den Türchen entgegen. Adventskalender sind schließlich an ein gewisses Regelwerk gebunden – dachte ich zumindest. Solange, bis dann ein Adventskalender auf dem Gemeinschaftstisch in der Redaktion lag und fünf Türen geöffnet waren. Wir schrieben gerade den vierten Dezember. Bei genauerem Hinsehen stellte Kollegin D. fest, dass die Türchen mit den Zahlen 17, 1, 13, 6 und 9 geöffnet waren. Entsetzen machte sich breit, Erinnerungen an unsere Kindheit mischten sich mit Vorstellungen, hier könne tatsächlich jemand nicht lesen.
Doch dann kam die Erklärung. Unser geschätzter Kollege S. hatte sich weder an Reihenfolge, noch an zeitliche Grenzen gehalten und den Adventskalender schon einmal „benutzt“.
Er verteidigte sich damit, dass dies schließlich eine einfache Möglichkeit zur Aufbewahrung von Schokolade sei, der Adventskalender ein würdeloses Stück PR-Weihnachtskitsch sei und nichts mit den wunderbaren, selbst gebastelten und liebevoll befüllten Adventskalendern zu tun habe, die er so kenne.
Ich schiebe das viel mehr auf seine von stets vorhandenem Hunger geprägte Persönlichkeit.