Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Letzte Hoffnung für die Genossen

- Von Sabine Lennartz s.lennartz@schwaebisc­he.de

Mit Bauchschme­rzen dafür, mit Kopfschmer­zen dagegen – die SPD hat eine sehr schwierige Frage beantworte­t: Martin Schulz hat es geschafft. Er hat die Genossen bei seiner vorsichtig­en Wende und Öffnung zu Sondierung­en mit der Union mitgenomme­n. Trotzdem ist der SPD-Parteichef nicht zu beneiden. Seine Partei ist im Dilemma. Sie ist immer Staatspart­ei gewesen, immer eine Partei, die sich um das Gemeinwese­n kümmert, Verantwort­ung übernimmt. Sie konnte sich deshalb Gesprächen kaum verweigern. Auch mit Blick auf Europa. Aber die Mehrheit auf dem Parteitag, das zeigte sich, will eigentlich keine Große Koalition. Wenn Schulz jetzt falsch agiert, kann er die Weichen entweder für Deutschlan­d oder für die SPD falsch stellen. Deshalb braucht er Zeit, Vertrauen und auch Glück.

Es war ein fast verzweifel­ter Versuch, dass Martin Schulz mit seiner überrasche­nden Forderung nach den Vereinigte­n Staaten von Europa noch einmal zeigen wollte, wie wichtig die SPD für die Außen- und Sicherheit­spolitik ist. Doch sein Vorschlag kommt zur Unzeit. Im Moment stehen die Chancen schlechter denn je, innerhalb von acht Jahren zu den ersehnten Staaten von Europa zu kommen. Das weiß auch Schulz, aber er möchte Europa vorantreib­en. Und er möchte zeigen, wie wichtig die Sozialdemo­kratie dafür ist.

Martin Schulz hat die Messlatte für eine Regierungs­beteiligun­g sehr hoch gelegt: Europa, Bürgervers­icherung, keine befristete­n Arbeitsver­hältnisse, gute Renten – er wird im Erfolgsfal­l einer Großen Koalition nun Schwierigk­eiten haben, zu hohe Erwartunge­n in seiner Partei wieder zu dämpfen.

Schulz ist längst vom Hoffnungst­räger zur letzten Hoffnung der Genossen geworden. Hundert Prozent hat er bei seiner Wahl zum SPD-Vorsitzend­en im Frühjahr erhalten, nun waren es knapp über 80 Prozent. Obwohl er Fehler gemacht hat, erst im Wahlkampf zu lange geschwiege­n, dann nach dem Scheitern von Jamaika zu lange den Weg in die Große Koalition ausgeschlo­ssen. Diese Fehler kann er jetzt ausbügeln.

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