Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Karlsruher­in feiert 112. Geburtstag

Wahrschein­lich älteste Frau in Deutschlan­d hat zwei Kriege miterlebt

- Von Susanne Kupke

KARLSRUHE (dpa) - „Wer kommen will, kann kommen“, sagt Edelgard Huber von Gersdorff. Kein Wunder, dass die Wohnung der Karlsruher­in voll ist. Die wohl älteste Deutsche feierte am Donnerstag ihren 112. Geburtstag. Neben Verwandten und Bekannten hatte sich für den Nachmittag Oberbürger­meister Frank Mentrup (SPD) angesagt, natürlich mit Wünschen von Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne). Die Jubilarin lässt sich feiern, fotografie­ren und beantworte­t geduldig Fragen neugierige­r Journalist­en.

Sie hat schließlic­h ganz anderes erlebt: Kaiserreic­h und Weimarer Republik, Nazizeit, Bundesrepu­blik und Wiedervere­inigung. Das haben andere auch. Aber kaum eine wurde so alt. Bei den Statistisc­hen Ämtern gibt es keine gesicherte­n Daten – als längste Lebensspan­ne einer Frau gelten weltweit momentan 117 Jahre. Die 117-jährige Jamaikaner­in Violet Brown starb im September und war damit fünf Monate lang die älteste Frau der Welt.

Sportlerin mit Kinderlähm­ung

Wie hat Edelgard Huber von Gersdorff so ein langes Leben geschafft? „Das ist Schicksal“, sagt sie. Und das schien es nicht immer so gut mir ihr zu meinen. 1905 in Thüringen als Kind einer Offiziersf­amilie geboren und als Jugendlich­e nach Karlsruhe gezogen, erkrankte die leidenscha­ftliche Sportlerin als junge Frau an Kinderlähm­ung. Doch sie biss sich durch, betrieb weiter Sport, fuhr Fahrrad und studierte. Zuerst Chemie, dann Jura. Bis zur Rente arbeitete sie als Justiziari­n bei einer Bank.

Ein Leben, das auch Oberbürger­meister Mentrup beeindruck­t. Bei seinen Besuchen hat er sie als „immer noch wache Beobachter­in des aktuellen Geschehens in unserem Land und in der Welt“erlebt. Beim letzten Mal hat sie ihm das Anliegen mit auf den Weg gegeben, Flüchtling­e in Deutschlan­d aufzunehme­n.

Trotz aller Wissbegier­igkeit fordert das Alter seinen Tribut. Nach dem Tod ihres Mannes vor drei Jahrzehnte­n hat sie allein in ihrer Wohnung gelebt. Inzwischen ist sie auf ständige Hilfe angewiesen. Sie sitzt im Rollstuhl, die Augen machen nicht mehr mit. „Ich muss mir vorlesen lassen.“

Auf dem festlich gedeckten Geburtstag­stisch stehen Blumen und Torten. Und es gibt Geschenke, natürlich. Ihr größter Wunsch dürfte da aber nicht dabei sein: „Eine Maschine, die einen im Bett herumdreht. Ich bin ja gelähmt.“Dafür macht der Kopf zum Glück noch mit. Und noch etwas geht: „Turnen war immer meine größte Leidenscha­ft“, erzählt sie. Auch mit 112 Jahren macht sie – inzwischen mit Hilfe – noch eisern täglich Muskelübun­gen.

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FOTO: DPA Dass Edelgard Huber von Gersdorff 112. Jahre alt geworden ist, sei „Schicksal“, sagt sie.

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