Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Hohe Hürden für Alkoholverbote
Stadt Ravensburg wird neues Polizeigesetz wohl nicht anwenden können
RAVENSBURG - Die Stadt Ravensburg will vorerst den Plan nicht weiter verfolgen, im historischen Zentrum Alkoholkonsumverbote auf öffentlichen Plätzen auszusprechen. Theoretisch haben Kommunen künftig diese Möglichkeit, nachdem es seit heute auch nachts wieder Alkohol an Tankstellen oder Kiosken zu kaufen gibt. In Ravensburg ist man jedoch skeptisch, was die Erfolgsaussichten für die Einführung der Restriktionen angeht: Die Vorgaben des Gesetzes seien zu eng gefasst, sagt Bürgermeister Simon Blümcke.
Ravensburg, dessen Altstadt wegen ihrer Attraktivität als besonders belastet durch Lärm und Vandalismus gilt, war bereits 2013 vom Land zur Pilotkommune „Lebenswerter öffentlicher Raum“ernannt worden. Ergebnis einer groß angelegten Umfrage der Polizeihochschule unter Anwohnern, die vor allem im Frühjahr und Sommer über erhebliche Störungen durch öffentliche Saufgelage klagen, war unter anderem der Wunsch nach solchen Verbotszonen.
Die Hoffnung war groß, dass diese örtlich und zeitlich begrenzten Alkoholkonsumverbote durch die Änderung des baden-württembergischen Polizeigesetzes möglich würden. Grundsätzlich ist das ab sofort auch so, quasi im Gegenzug zu dem nun aufgehobenen nächtlichen Verkaufsverbot von Alkohol. Die Verwaltung will das Thema deshalb auch in die politische Diskussion einbringen, so Sprecher Alfred Oswald. Bürgermeister Simon Blümcke und der Ravensburger „Runde Tisch Lebenswerter Öffentlicher Raum“gehen aber davon aus, dass die Vorgaben für die Anwendung des Gesetzes in Ravensburg nicht erfüllt seien.
Anwohner profitierten
Für einen entsprechenden Erlass muss eine Gruppe aus Störern aus mindestens 50 Menschen bestehen. Um als Brennpunkt zu gelten, muss eine Kommune zudem eine gewisse Anzahl von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auf den betroffenen Plätzen nachweisen können. Der Beschluss des Gemeinderates alleine reicht also nicht. „Der Nachweis, dass es sich nicht nur um Störungen der öffentlichen Ordnung handelt, ist nicht leicht zu führen“, sagt der Runde Tisch, zu dem Anwohner, Vertreter der Gastronomie, der Jugend, der Polizei, des Gemeinderats und des Handels gehören. Für noch schwieriger hält es Simon Blümcke, den geforderten Beleg zu erbringen, dass die Störungen im unmittelbaren Zusammenhang mit Trinkgelagen stehen: „16-Jährige können auch ohne Bier und Wein schon mal ziemlich lebendig sein.“Die Stadt hätte sich vielmehr gewünscht, dass es beim „professionellen Alkoholverkauf“nach 22 Uhr geblieben wäre. Blümcke: „Das war für Ravensburg ein gutes Instrument.“Als das Verkaufsverbot zwischen 22 und 5 Uhr eingeführt worden war, hatten insbesondere Anwohner in der Nachbarschaft des „Kauflands“in der Südstadt davon profitiert.
Die Stadt will jetzt weiter auf eine Mischung aus Information, gegenseitiger Rücksichtnahme, Zusammenarbeit mit der Gastronomie, polizeilicher Präsenz, aber auch auf repressive Maßnahmen setzen. Das tue man seit Jahren „mit zunehmendem Erfolg“. Dazu gehören auch die sogenannte „aufsuchende Jugendarbeit“und der Einsatz eines Streetworkers, sagt Bürgermeister Blümcke.