Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Aufgespießt
Was am Montag an der Meistershofener Straße passiert ist, kennt man normalerweise nur aus Reportagen, die auf RTL 2 laufen: Da liegt eine 81-jährige Frau nach einem Sturz verletzt auf dem Gehweg, und kein Autofahrer hält an, um zu helfen. Nicht nur die Familienangehörigen sind fassungslos. Wir fragen uns auch: Wo ist die Hilfsbereitschaft der Mitmenschen geblieben? Woher rührt diese Gleichgültigkeit? Warum schauen wir nicht aufeinander?
So löblich das Ansinnen des grünen Politikers Martin Hahn ist, den Streit um die Echt-BodenseeCard zu befrieden: Wer nach vorne schauen will, sollte wissen, wo er herkommt. Die vom Verwaltungsgericht bescheinigten Datenschutzprobleme zu marginalisieren, hilft nicht weiter. Die Gesellschafter der Deutschen Bodensee Tourismus GmbH müssen aufklären, an welcher Stelle das durchaus sinnvolle Projekt Gästekarte verbockt worden ist – und wer dafür die Verantwortung trägt.
Die Verantwortung für das Einhalten von Vorschriften zum Aufstellen von Werbeanlagen in Friedrichshafen nimmt die Stadtverwaltung penibel wahr, wie das Beispiel des vom Theater Konstanz ohne Sondernutzungserlaubnis vor dem k42 abgestellten goldenen Fahrrads zeigt. Der Verweis auf die Gleichbehandlung aller, die irgendwelche Werbeanlagen aufstellen wollen, mag berechtigt sein, aber: Wo kein Kläger, da kein Richter. Wer bitteschön hätte sich am Anblick des goldenen Schmuckstücks denn stören sollen? Nun, wir sind gespannt, ob es am neuen Standort vor der Buchhandlung Gessler 1862 bleiben darf.
Gespannt haben wir auch dieser Tage aufs ZF-Forum geblickt: Das Drama um den angekündigten Abgang des Vorstandsvorsitzenden Stefan Sommer hatte zwischenzeitlich das Niveau einer Daily Soap. Bloß dass es dabei nicht um ein bisschen Unterhaltung ging, sondern um die Zukunft des größten Arbeitgebers weit und breit und den wichtigsten Stützpfeiler für den Wohlstand unserer Region. Eigentlich kein Objekt für Machtkämpfe, Eitel- und Befindlichkeiten.
Nicht nur die Spießgesellen müssen jetzt, wenn sich der Pulverdampf verzogen hat, mal sortieren, was da eigentlich passiert ist. Deutungen der Geschichte gibt es zuhauf, gesicherte Erkenntnisse allerdings fehlen an wichtigen Stellen. Man liegt wohl nicht ganz falsch mit der Behauptung, dass es bei der Geschichte nicht den Guten und den Bösen gibt. Wichtig wäre jetzt nur, dass alle ihre Lehren aus der Sache ziehen und nicht bei nächster Gelegenheit in die gleichen Fallen tappen.
Was bei der Gelegenheit übrigens mal wieder deutlich wurde: Der Rest der Welt tut sich schwer mit dem Konstrukt „Städtische Stiftung kontrolliert Weltkonzern“. Ist ja auch nicht so leicht zu verstehen. Wird aber auch nicht immer so richtig gern ordentlich erklärt. Weil man nicht darf ? Weil man nicht kann? Weil man nicht will? Von allem ein bisschen, denken wir mal. Und wagen die Prognose, dass jetzt das Zusammenspiel von Aufsichtsrat, Stiftungsrat und Gemeinderat wegen der Causa Sommer von einigen gründlich unter die Lupe genommen wird. Muss kein Fehler sein.