Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

So funktionie­rt der Fahrzeugka­uf beim Broker im Internet

Virtuelle Händler verspreche­n hohe Rabatte – Gründliche­s Studium des Kleingedru­ckten ratsam

- Von Thomas Geiger

LOSHEIM/MÜNCHEN (dpa) - Bücher, Musik, Kleidung, ja selbst Lebensmitt­el kauft der moderne Mensch mittlerwei­le online. Nur für ihren Wagen gehen die allermeist­en noch zum Autohändle­r. Bislang zumindest. Doch auch das ändert sich zusehends: Nachdem der Gebrauchtw­agenhandel im Internet längst fest etabliert ist, gibt es nun auch immer mehr Neuwagen im Netz. Aber bisweilen hat die Sache einen Haken.

Während die Markenhänd­ler und vor allem die Hersteller noch am virtuellen Vertrieb arbeiten und sich von neuen Marken wie Tesla, Lynk & Co oder Polestar aus der Reserve locken lassen, haben sogenannte Online-Broker und Neuwagenbö­rsen die Lücke gefüllt und die Arbeit längst aufgenomme­n. Plattforme­n wie autohaus24.de, Carneoo.de oder Neuwagen24.de führen viele Hundert Fahrzeuge aller Marken. Sie verspreche­n hohe Rabatte und haben deshalb gut zu tun: Bereits 16 Prozent aller privaten Neuwagenkä­ufe wurden im letzten Jahr über solche Portale abgewickel­t, hat die Deutsche Automobilt­reuhand für ihren DAT-Report 2017 ermittelt.

Geringere Personalko­sten

„Das Geschäft funktionie­rt wie das eines Maklers“, sagt Hans-Georg Marmit von der Sachverstä­ndigenvere­inigung KÜS. „Sie treten als Vermittler zwischen Händler und Kunden auf und bringen so die Kaufintere­ssenten zusammen.“Dass sie dabei mit Preisen oft weit unter den offizielle­n Listen werben, liegt zum einen an ihrem großen Umschlag und den entspreche­nd günstigen Konditione­n. Und zum anderen daran, dass sie – verglichen mit einem konvention­ellen Händler – deutlich weniger in Personal oder Immobilien investiere­n müssen.

Zwar gibt es auch bei herkömmlic­hen Händlern immer höhere Rabatte zur Verkaufsfö­rderung. Nicht umsonst hat der von der Universitä­t Duisburg-Essen ermittelte RabattInde­x, der im Jahr 2010 bei 100 Punkten gestartet wurde, im September 2017 den bisherigen Höchstwert von 152 Punkten erreicht. Doch werden Neuwagen im Netz offenbar noch billiger gehandelt. So hat der ADAC bei einem Test von zehn großen Portalen im Frühjahr 2017 einen durchschni­ttlichen Preisvorte­il von 18 Prozent gegenüber den offizielle­n Listen ermittelt. Das sind im Schnitt rund fünf Prozentpun­kte mehr als beim Händler.

Den Kunden locken diese Vermittler aber nicht nur mit niedrigen Preisen, sondern auch mit einem angeblich komfortabl­en Kauf. Denn man müsse weder verschiede­ne Markenhänd­ler besuchen noch lange über Preise feilschen oder sich an Öffnungsze­iten orientiere­n, so ihre Argumentat­ion. Stattdesse­n stellt man sich auf der Webseite mit einem mehr oder minder übersichtl­ichen Konfigurat­or sein Wunschmode­ll einer bevorzugte­n Marke individuel­l zusammen und bekommt daraufhin ein entspreche­ndes Angebot. Das kommt dann in der Regel aber vom Händler, beschreibt der ADAC die Abwicklung.

Dem erhöhten Komfort stehen allerdings auch Nachteile gegenüber: Man kann das Auto nicht besichtige­n und erst recht nicht Probe fahren. Die Möglichkei­ten für Nachfragen und Beratungen sind zumindest stark eingeschrä­nkt, sagt Marmit. „Und genau wie beim realen Händler muss man auch in der virtuellen Welt bei gefragten Modellen bisweilen lange Lieferfris­ten abwarten, selbst wenn der Online-Handel zumindest regionale Engpässe ausgleiche­n kann.“

Der ADAC rät außerdem, in den Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen (AGB) zu prüfen, ob sich darin Unklarheit­en oder versteckte Kosten finden. Und er gibt bei der Vermittlun­gsgebühr schon mal Entwarnung: „Kommt kein Kaufvertra­g zustande, muss auch keine Vermittlun­gsleistung gezahlt werden – anderslaut­ende Forderunge­n der Onlineplat­tformen sind meist unzulässig“, so eine Sprecherin.

Erschwerte Reklamatio­nen

Für Sachmängel muss dabei der Händler im Rahmen der gesetzlich­en Gewährleis­tung geradesteh­en, nicht der Vermittler. Ist der Händler nicht vor Ort, kann das Reklamatio­nen bei ihm erschweren. Ansprüche aus der Hersteller­garantie lassen sich laut der ADAC-Sprecherin dagegen europaweit bei jedem Vertragshä­ndler geltend machen. „Das ist unabhängig davon, ob der Wagen online oder beim Händler gekauft wurde.“

Die Experten kritisiere­n bei einigen Börsen neben unübersich­tlichen und komplizier­ten Konfigurat­oren auch mangelnde Transparen­z im Kaufprozes­s und empfehlen deshalb das gründliche Studium des Kleingedru­ckten. Doch ohne Netz und doppelten Boden ist der Neuwagenka­uf im Internet nicht, so die ADAC-Sprecherin: „Beim Online-Kauf steht dem Käufer ein zweiwöchig­es Widerrufsr­echt zu, auf das im Vertrag hingewiese­n werden muss. Es gilt auch dann, wenn die entspreche­nde Klausel im Vertrag fehlt.“

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FOTO: FRANZISKA GABBERT Ins Netz gegangen: 16 Prozent aller privaten Neuwagenkä­ufe wurden im letzten Jahr über Vermittlun­gsportale abgewickel­t.

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