Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Friedrichshafen will „Stadt 4.0“werden
Innenministerium macht auf seiner Digitalisierungs-Werbetour in Friedrichshafen Halt
FRIEDRICHSHAFEN - „Digitale Innovationen für die Zukunftskommune – gemeinsame Ansätze mit Bürgern und Partnern“, ist das Thema, mit dem sich das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration unter der Schirmherrschaft von Minister Thomas Strobl derzeit auf Werbetour durchs Land bewegt.
In Friedrichshafen legte die DigiTruppe des Ministeriums am Mittwoch einen Halt ein – den neunten von insgesamt zwölf – um im Competence-Park vor allem Mitarbeiter in Kommunalverwaltungen zu informieren und sich mit ihnen auszutauschen.
Manche können das Wort Digitalisierung nicht mehr hören. Zukunftsforscher etwa, die das Wort „uralt“nennen, weil es mittlerweile „durch“sei. Ob das Ministerium da etwas spät unterwegs ist? Oberbürgermeister Andreas Brand bemerkte in seiner Begrüßung, wer heute in einer Power-Point-Präsentation das Wort Digitalisierung nicht verwende, habe etwas falsch gemacht. In diesem Zusammenhang zitierte er Bill Gates, der prognostizierte, wer nicht im Internet schwimmen lerne, gehe unter. Nokia lasse grüßen, erinnerte der OB.
Wie nun können die Menschen mitgenommen werden und was könne die Verwaltung tun? Ist etwa die elektronische Bauakte möglich? Muss von den Abläufen her oder vom Kunden her gedacht werden und braucht man weiterhin Rathäuser und Landratsämter? Seit dem TCity-Projekt in Friedrichshafen wisse man, technisch mehr tun zu können. „Digitalisierung ist eine Schwerpunktaufgabe in der Häfler Verwaltung“, wo man mit dem Projekt „FN digital“gestartet ist und viel Geld in die Hand genommen hat. Im Vordergrund, so der OB, müsse der Nutzen für den Bürger und dessen Zufriedenheit stehen, wobei es „zu kurz gesprungen“wäre anzunehmen, lediglich nur von Papier auf digital wechseln zu können.
„Digitale Reife“
Stefan Krebs, Beauftragter des Landes für Informationstechnologie und im Land unterwegs, das Thema zu bewerben, erläuterte unter der Moderation von Corinna Egerer die Strategie des Landes. Er zeigte an Beispielen den digitalen Wandel auf, um von Israel zu lernen. „Wir brauchen junge, innovative software-affine Leute“. Dort nämlich drängen Studienabgänger nicht in große Firmen, sondern besetzen geistige Kompetenz, suchen die Selbständigkeit. „Die steuern lieber unsere Fabrikanlagen“, erlebte Krebs, um nach der eigenen „digitalen Reife“zu fragen. Klar ist: Digitalisierung verändert nicht nur die Wirtschaft, sondern wirkt sich auf das gesamte Leben aus, von den eigenen vier Wänden über die Arbeit bis zur Gestaltung des Gemeinwesens.
Krebs nannte Start-ups für die Digitalisierung des Landes „von besonderer Bedeutung“, denn sie könnten sich sofort an den neuen technischen Möglichkeiten ausrichten. Zu keiner Zeit hätten sie so große Chancen wie zu Zeiten technologischer Umbrüche. Derzeit sei die Zahl innovativer Start-ups noch zu niedrig, um zur Erneuerung der Wirtschaft in ihrer ganzen Breite beitragen zu können. Er erläuterte den Digitalisierungsprozess des Landes, in dessen Mittelpunkt der Mensch stehen soll. „Wir wollen die Digitalisierung nicht nur bewältigen, sondern gestalten“, postulierte er. Das Ziel: Baden-Württemberg zur innovativsten Leitregion im Bereich Digitalisierung zu machen. Er mahnte: Eine zukunftsfähige Kommunalverwaltung öffne sich neuen Technologien und innovativen Ideen. Dabei will das Land die Städte und Gemeinden unterstützen und hofft auf Kooperation auch aus der Wirtschaft.
Roboter in der Verwaltung
In einer Video-Zuschaltung berichtete Professor Jörn von Lucke von der Zeppelin Universität von Eindrücken aus seinen Forschungsreisen, zuletzt in Australien. „Wir sind in einer spannenden Zeit unterwegs“, sagte er, und nannte die Digitalisierung eine Generationen-Aufgabe. In Zukunft werde es auch in der Verwaltung eine Vielzahl an Robotern und künstliche Intelligenz geben, denen man sich frühzeitig öffnen müsse. Er lobte die Stadt Friedrichshafen unter anderem dafür, weiter auf dem Weg „zur Stadt 4.0 zu gehen“und sich mit ihrer Plattform „Sag‘s doch“mit dem Bodenseekreis nicht verstecken zu müssen.
Den Vorträgen schloss sich eine Podiumsdiskussion und Fragerunde mit der Präsidentin der Zeppelin Universität, Insa Sjurts, Stefan Krebs, Personalchef Gerald Kratzert von der Stadt Friedrichshafen sowie Konrad Krafft, Gründer und Geschäftsführer der Firma doubleSlash unter der Moderation von Corinna Egerer an. Dabei äußerte Insa Sjurts den Wunsch nach einem Wissenstransfer von der ZU in die Region.