Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Im Loschwitz-Kosmos
Tellkamps „Die Carus-Sachen“ist eine Skizze
Uwe Tellkamp schwelgt auch in „Die Carus-Sachen“im Loschwitz-Kosmos seines Romanes „Der Turm“.
In dem Jahr, in dem Uwe Tellkamp den Deutschen Buchpreis bekam, kaufte sich Jens Uwe Jess auf der Buchmesse den Roman „Der Turm“und war sofort von den kursiv gedruckten Passagen begeistert, in denen immer wieder Uhren eine Rolle spielten. Noch auf der Messe sprach der Kleinverleger aus Eckernförde Tellkamp an, ob er nicht ein Buch mit ihm machen wolle. So entstand 2010 das bibliophile Bändlein „Die Uhr“und wurde gleich ein Erfolg.
Was einmal klappt, klappt auch ein zweites Mal, sagte sich der findige Verleger, der ein Leben lang als Landwirt arbeitete, bevor er mit 65 Jahren beschloss, Bücher zu machen und seine Edition Eichthal gründete. Also ließ er in eine Unterhaltung einfließen, dass doch auch Carl Gustav Carus aus Dresden stamme und wie Tellkamp Arzt gewesen sei. Ob er nicht darüber mal was schreiben wolle? Gesagt, getan.
Klein, aber fein
Die Jahre gingen ins Land. Jess glaubte schon gar nicht mehr daran. Im Herbst 2016 aber meldete sich Tellkamp und sagte: „Ich schreib’ Ihnen was.“Jetzt erscheint das kleine, aber feine Büchlein „Die Carus-Sachen“, zu dem Andreas Töpfer erneut Zeichnungen beigesteuert hat, wie bereits zu dem Uhren-Buch. Schon nach ein paar Zeilen ist man wieder mitten drin im Kosmos des TurmViertels, dieser Welt der Bildungsbürger und Romantiker, die vor dem real existierenden Sozialismus in Kunst und Kultur fliehen.
Erzähler ist dieses Mal Christians Cousin Fabian, der im „Turm“als Nebenfigur auftaucht. Er erinnert sich an seine Jugend in Dresden, an den Vater Hans Hoffmann, der wie Richard Arzt ist, und an all die CarusJünger, die als „Naturforscher im ursprünglichen Sinn des Wortes“sich nicht im Speziellen verlieren, sondern versuchen, sich einen „Begriff des Ganzen“zu bewahren. So wie eben jener Carl Gustav Carus (17891869), der nicht nur als Gynäkologe und Anatom, sondern auch als romantischer Maler und Naturphilosoph Geschichte geschrieben hat. Fast wie ein Heiliger wird dieser Carus in den Studierstuben des Weißen Hirsches und der Neustadt verehrt.
Illustrator Andreas Töpfer lässt sich in seinen Zeichnungen vom Prinzip der Skizze leiten wie auch Tellkamp selbst. Galt die Skizze den Romantikern doch dem fertigen Werk als ebenbürtig. „Die Skizze muss nichts beweisen“, schreibt er, „es droht nicht sofort das froße Ganze, der Stift darf spazieren gehen und Beobachter des Augenblicks sein – der freilich, sagt Schiller, der mächtigste aller Herrscher ist.“Sätze, die hellhörig machen, wenn man weiß, dass Uwe Tellkamp seit Jahren an der Fortsetzung von „Der Turm“schreibt.
Seine „Carus“-Erzählung, die ohne Bilder gerade mal 50 Seiten zählt, liest sich in der Tat wie eine Versuchsanordnung, sie könnte ebenso ein Teil seines Bestsellers „Der Turm“sein, wie ein erster Vorbote der Fortsetzung, die wahrscheinlich „Lava“heißen soll. Vielleicht kommt der Roman im kommenden Jahr heraus. Vielleicht auch nicht. Bis dahin müssen sich Leser mit dem kleinen Büchlein der Edition Eichthal begnügen.