Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Bruggers neue Ambitionen
Grünen-Abgeordnete möchte Fraktionsvize werden
BERLIN (sal) - Die Ravensburger Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger (Foto: dpa) kandidiert im Januar für den stellvertretenden Fraktionsvorsitz der grünen Bundestagsfraktion. „In der Zukunft möchte ich gern in meiner Fraktion mehr Verantwortung übernehmen und als stellvertretende Fraktionsvorsitzende den Bereich Internationales und Menschenrechte betreuen“, sagte Brugger am Mittwoch. Bislang befasst sich der Abgeordnete Frithjof Schmidt mit diesem Bereich. Der 64-Jährige habe signalisiert, so Brugger, dass er sie unterstütze.
Die 32-Jährige zählt wie Schmidt zum linken Flügel. Verteidigungsexpertin Brugger, die seit acht Jahren im Bundestag sitzt, gehörte dem Jamaika-Sondierungsteam ihrer Partei an.
BERLIN - Die drei häufigsten Antworten, die man in Berlin auf die Frage nach Agnieszka Brugger erhält, lauten: „Sie ist gut sortiert.“„Sie kennt sich aus.“„Mit ihr verhandelt man gern.“Von FDP-Politikern wie Wolfgang Kubicki bis hin zu CSULeuten wie Gerd Müller, mit denen sie bei den Jamaika-Verhandlungen zu tun hatte, sind alle angetan von der 32-jährigen Grünen-Politikerin, die mit extravagantem Äußeren, den roten Haaren und dem auffallenden Piercing von konservativen Politikern früher vorsichtig beäugt wurde.
Seit acht Jahren sitzt Agnieszka Brugger im Bundestag, in den sie vor ihrer Hochzeit 2011 noch als Agnieszka Malczak gewählt wurde. Freundlich im Ton, überzeugt in der Sache, hat sie sich schnell einen Namen als Verteidigungspolitikerin gemacht. Die Ravensburgerin gehört dem linken Parteiflügel der Grünen an und sie hält die Flügel-Diskussion auch nicht für erledigt. Im Gegenteil: Wenn die Flügel funktionierten und sich Visionen und Pragmatismus vereinten, machten sie für die Partei Sinn, findet Brugger.
Wahl ist Mitte Januar
Die Grünen wollen Mitte Januar nach ihrer Fraktionsklausur die stellvertretenden Fraktionschefs wählen. Agnieszka Brugger begründet ihre Entscheidung zur Kandidatur damit, dass sie sich mit ihrer „Mischung aus der Erfahrung von acht Jahren parlamentarischer Arbeit und neuem frischen Wind“für die wichtigen Ideen eines starken und gemeinsamen Europas und Verantwortung für die Menschenrechte in den nächsten Jahren einsetzen will.
„Mehr denn je braucht es kluge Antworten für eine Politik, die Sicherheit und Frieden auf der Welt fördert, statt sie allzu oft wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen. Wir wollen dem französischen Präsidenten Macron die Hand zu gemeinsamen Investitionen in Europa reichen und werden uns jetzt erst recht für engagierte Entwicklungszusammenarbeit, zivile Konfliktlösungen und fairen Handel einsetzen“, sagt Brugger. Sie will dem 64-jährigen Frithjof Schmidt nachfolgen, der ihr signalisiert habe, dass er sie unterstütze. Sie trete in große Fußstapfen des erfahrenen Außenpolitikers, dem sie viel zu verdanken habe, sagt Brugger. Ihr werden gute Chancen bei der Wahl eingeräumt.
Agnieszka Brugger kam 2009 als jüngste weibliche Abgeordnete und Studentin aus Tübingen in den Bundestag. Sie profilierte sich schnell als Widersacherin von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Der hat sie einmal attestiert, dass sie viel Show mache, aber wenig Substanz habe. Allzu oft würden Dinge, die im Scheinwerferlicht angekündigt wurden, im Tageslicht verschleppt. „Es ist die mühsame Aufgabe der Opposition, das aufzuarbeiten", sagt Brugger. Auch in der Auseinandersetzung um rechtsextreme Vorfälle in der Bundeswehr wie in Pfullendorf warf Brugger der Ministerin vor, es habe „nicht viel mit Verantwortung zu tun, wenn eine Ministerin angesichts dieser gravierenden Vorfälle die Schuld weit von sich schiebt“.
Die Auslandseinsätze der Bundeswehr sieht Brugger differenziert. So sprach sie sich schon 2010 gegen die Mandatsverlängerung in Afghanistan aus, und sie tat es auch jetzt. „Die Sicherheitslage in Afghanistan ist derzeit so düster wie lange nicht mehr“, begründete die grüne Verteidigungspolitikerin im Bundestag ihre Haltung. Sie vermisse realistische Ziele für den Einsatz und eine ExitStrategie. Anders stimmt sie zum Beispiel beim Mali-Einsatz, den sie unterstützt.
Wenn sie zur stellvertretenden Fraktionschefin gewählt wird, will Brugger eine „klare Stimme für Frieden, Menschenrechte und globale Gerechtigkeit sein und unsere Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft stärken“. In die Fraktion möchte sie mehr spannende, lebhafte Zukunftsdebatten jenseits der üblichen Pfade fördern. Aber dabei alle mitnehmen und vertreten.