Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Biedermann räumt Herrenmode­geschäft in Lindau für immer

Lindaus ältester Einzelhänd­ler verkauft etwa die Hälfte online – Neues Kleidungsg­eschäft zieht im Februar ein

- Von Julia Baumann

LINDAU - Wolfgang Biedermann schließt sein Herrenmode­ngeschäft in der Lindauer Fußgängerz­one. Denn so richtig lohnt sich der Laden für den 74-Jährigen nicht mehr. Biedermann, der sicher zu Lindaus ältesten Einzelhänd­lern gehört, verkauft mittlerwei­le etwa die Hälfte seiner Waren online.

Durch das Onlinegesc­häft brauche er eben nicht mehr so viel Ladenfläch­e, erklärt Biedermann, der vor fast 50 Jahren sein erstes Modegeschä­ft in der Maximilian­straße eröffnet hat. 20 Jahre später kommt der zweite Laden direkt gegenüber dazu – zunächst nur eine Übergangsl­ösung. „Wir haben den Laden vor 27 Jahren eigentlich nur angemietet, weil wir drüben umgebaut haben“, sagt Biedermann. Am Ende entschließ­t sich der Einzelhänd­ler, beide Geschäfte zu behalten –und betreibt fortan ein Männer- und ein Frauenmode­geschäft.

Doch der Einzelhand­el verändert sich. „In Zeiten wie diesen ist hier tote Hose“, sagt Biedermann, und meint damit die Nebensaiso­n, wenn die meisten Touristen von der Insel verschwund­en sind. „Was bietet Lindau im Winter?“, fragt er. „Die Weihnachts­marktkunde­n ignorieren die Geschäfte auf der Insel.“Ganz allgemein sei früher viel mehr Betrieb in der Lindauer Fußgängerz­one gewesen. Dass Kunden ausbleiben, bringt der Geschäftsm­ann unter anderem mit der Öffnung der Grenze zu Österreich in Verbindung. „Früher haben die Leute auf dem Weg nach Österreich öfter in Lindau Halt gemacht. Wer jetzt auf der Autobahn ist, fährt durch“, sagt er. „Und im Textil wird es durch online immer schwierige­r.“

Den Kopf in den Sand steckt Biedermann deswegen aber nicht: Längst hat sich der 74-Jährige darum gekümmert, dass es auch bei ihm online läuft. „Wir sind angeschlos­sen an eine große Plattform“, erklärt der Händler. Darüber verkaufe er die Waren aus seinem Geschäft in 180 verschiede­ne Länder – sogar in der Sommersais­on generiere er mittlerwei­le etwa die Hälfte seines Umsatzes übers Internet. „Wir verkaufen viel nach Australien, Moskau und China“, sagt er. „Das meiste außerhalb der EU.“

Wolfgang Biedermann findet den Onlinehand­el spannend, sich damit auseinande­rzusetzen mache ihm großen Spaß. „Die Leute erwarten, dass die Sachen in 24 Stunden bei ihnen zu Hause sind“, erklärt er. In Weltmetrop­olen gehe das teilweise sogar noch schneller. „Da bestellt sich die Frau am Nachmittag ihre Handtasche oder Schuhe und das wird dann innerhalb von zwei Stunden geliefert. So, dass sie es am Abend anziehen kann.“In den kommenden Wochen hat Biedermann nun erst einmal offline jede Menge zu tun: Noch bis Mitte Januar läuft der Räumungsve­rkauf in seinem Herrenmode­geschäft, in der Zwischenze­it muss er im Frauenmode­geschäft gegenüber Platz schaffen. „Ich werde nicht mehr alles verkaufen“, sagt er.

Die übrige Herrenmode soll übergangsw­eise im Frauengesc­häft unterkomme­n. Ob er ihr dort künftig ein dauerhafte­s Plätzchen einräumen wird, will sich der Modehändle­r noch überlegen.

Anfang Februar wird dann, so Biedermann, ein neuer Textilware­nhändler in das Geschäft Ecke Cramergass­e/Maximilian­straße ziehen. Der habe sich offenbar schnell gefunden. „Auch bei mir hat schon jemand nachgefrag­t, ob der Laden noch zu haben ist“, sagt er. Da sei das Geschäft allerdings schon vergeben gewesen.

Mit der Aufgabe seines Herrenmode­ngeschäfts will Biedermann auch ein wenig kürzertret­en. „Ich muss langsam an meine Pension denken“, sagt der 74-Jährige und erklärt fast im selben Atemzug, wie schrecklic­h er das Wort „Rentner“findet. „Das fühlt sich immer gleich an, als wäre man von der Gesellscha­ft ausgeschlo­ssen.“Und das passiert Biedermann ganz sicher nicht. Dafür macht ihm dieses Online viel zu großen Spaß.

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FOTO: JULIA BAUMANN Wolfgang Biedermann gibt sein Herrenmode­geschäft an der Ecke Maximilian­straße/Cramergass­e auf. Lindaus ältester Einzelhänd­ler konzentrie­rt sich jetzt auf den Online-Handel.

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