Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Eine Zumutung
Wer es nicht mit eigenen Augen sieht, hält es nicht für möglich. Da wohnen Menschen in städtischen Gebäuden, die in diesem Zustand eigentlich unbewohnbar sind. Gekennzeichnet von jahrelanger Vernachlässigung wie auch von mangelnder Sorgfalt im Umgang durch die häufig wechselnden Bewohner, bieten sie ein Bild des Elends. Hier zu leben, ist selbst für Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind, eine Zumutung.
Im Rathaus hat man den Handlungsbedarf inzwischen erkannt, versucht Alternativen für einzelne Familien zu finden und schmiedet gleichzeitig große Pläne für einen Neubau. 92 Wohnungen, die Hälfte davon öffentlich gefördert, sind ein Wort. Doch es werden noch einige Jahre ins Land ziehen, bis sie stehen und bezugsfertig sind. So lange können die Bewohner der maroden Häuser in der Eintrachtstraße nicht warten.
Es müsste doch mit vertretbarem Aufwand möglich sein, die Wohnungen instandzuhalten, sie mit anständigen Heizmöglichkeiten auszustatten, den Schimmel wirksam zu bekämpfen und das Umfeld so zu gestalten, dass es nicht von vornherein abstoßend wirkt. Dazu bedarf es nicht nur Geldes, sondern eines Kümmerers, der sich der Sache und der Menschen dort annimmt. Eine vertretungsweise Sozialarbeit reicht nicht, und ein Hausmeister, der ab und zu mit Schimmelex vorbeikommt, steht auf verlorenem Posten.
Man muss nicht immer die großen Lösungen suchen. Zwischen Abriss und Neubau, Vernachlässigung und Rundumbetreuung gibt es fachlich angemessene und sozial verträgliche Handlungsmöglichkeiten. Als Beispiel sei hier Oberteuringen genannt. Als man dort in einem als Bücherei genutzten Raum der alten Schule Schimmel feststellte, wurde der Raum umgehend geschlossen, sogar die Bücher wurden entsorgt und die von Schimmel befallene Außenwand binnen weniger Wochen saniert. Dass das Gebäude in wenigen Jahren einem Neubau weichen musste, war kein Hinderungsgrund. Wenn schon für eine kleine Schulbücherei, die Kinder nur gelegentlich besuchen, ein solcher Aufwand betrieben wird, um wie viel gerechtfertigter und notwendiger wäre es, diesen Aufwand in Wohnungen zu betreiben, in denen Menschen dauerhaft leben.
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