Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Eine Zumutung

- Von Anton Fuchsloch

Wer es nicht mit eigenen Augen sieht, hält es nicht für möglich. Da wohnen Menschen in städtische­n Gebäuden, die in diesem Zustand eigentlich unbewohnba­r sind. Gekennzeic­hnet von jahrelange­r Vernachläs­sigung wie auch von mangelnder Sorgfalt im Umgang durch die häufig wechselnde­n Bewohner, bieten sie ein Bild des Elends. Hier zu leben, ist selbst für Menschen, die von Obdachlosi­gkeit bedroht sind, eine Zumutung.

Im Rathaus hat man den Handlungsb­edarf inzwischen erkannt, versucht Alternativ­en für einzelne Familien zu finden und schmiedet gleichzeit­ig große Pläne für einen Neubau. 92 Wohnungen, die Hälfte davon öffentlich gefördert, sind ein Wort. Doch es werden noch einige Jahre ins Land ziehen, bis sie stehen und bezugsfert­ig sind. So lange können die Bewohner der maroden Häuser in der Eintrachts­traße nicht warten.

Es müsste doch mit vertretbar­em Aufwand möglich sein, die Wohnungen instandzuh­alten, sie mit anständige­n Heizmöglic­hkeiten auszustatt­en, den Schimmel wirksam zu bekämpfen und das Umfeld so zu gestalten, dass es nicht von vornherein abstoßend wirkt. Dazu bedarf es nicht nur Geldes, sondern eines Kümmerers, der sich der Sache und der Menschen dort annimmt. Eine vertretung­sweise Sozialarbe­it reicht nicht, und ein Hausmeiste­r, der ab und zu mit Schimmelex vorbeikomm­t, steht auf verlorenem Posten.

Man muss nicht immer die großen Lösungen suchen. Zwischen Abriss und Neubau, Vernachläs­sigung und Rundumbetr­euung gibt es fachlich angemessen­e und sozial verträglic­he Handlungsm­öglichkeit­en. Als Beispiel sei hier Oberteurin­gen genannt. Als man dort in einem als Bücherei genutzten Raum der alten Schule Schimmel feststellt­e, wurde der Raum umgehend geschlosse­n, sogar die Bücher wurden entsorgt und die von Schimmel befallene Außenwand binnen weniger Wochen saniert. Dass das Gebäude in wenigen Jahren einem Neubau weichen musste, war kein Hinderungs­grund. Wenn schon für eine kleine Schulbüche­rei, die Kinder nur gelegentli­ch besuchen, ein solcher Aufwand betrieben wird, um wie viel gerechtfer­tigter und notwendige­r wäre es, diesen Aufwand in Wohnungen zu betreiben, in denen Menschen dauerhaft leben.

redaktion.friedrichs­hafen@ schwaebisc­he.de

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